Mittwoch, 7. Mai 2014

Flüchtige Momentaufnahmen, Provokationen und Gedankenspiele IV

Ein großes Problem der unter dem kapitalistischem Paradigma stehenden Arbeitswelt ist die Idee einer Firma oder eines Betriebs als "Gelddruckmaschine" hierarchisch übergeordneter Weniger. Demgegenüber muss eine holistisches Gegenmodell gesetzt werden, dass eine Firma als sozialen Raum begreift, als Raum des Austauschs, des gegenseitigen Lehrens und Lernens, des sozialen Miteinanders, der Anerkennung und Wertschätzung, der persönlichen Entwicklung, als Aushandlungsprozess. Dies ist kann einer der Schritte sein, hin auf eine erträglichere Wirklichkeit...

Dass Tiere zum Fressen da sind, dass Schwarze zu dumm sind zum studieren und dass Frauen nur für Kinder, Küche und Kirche taugen ist nur insofern wahr, als dass wir es durch unser Handeln wahr machen. Unser handeln erschafft diese Wahrheiten und hält sie am Leben, unser Handeln ist es, das eine zur scheinbaren Objektivität und Natürlichkeiten konstruierte spezifische Wirklichkeit schafft. Aber nicht die Angst vor Willkür sollte die Antwort bleiben, sondern die Hoffnung auf ein Besseres. Unser Handeln schafft die Welt, sie ist nicht ohne es. Welche Welt wir schaffen aber steht nicht fest...

Die Bürokratie ist der Gipfel des Totalitarismus, sie ist die Mutter des modernen Schreckens, sie gebiert eine Wirklichkeit in der keiner verantwortlich aber alle Schuld sind. Die Bürokratie ist die totale Herrschaft der Struktur, sie ist die Absage an das Denken, eine Absage, die in uns allen als begrenzte Wesen angelegt ist. Wir alle können Arendts Eichmann sein...Ihr entgegen steht das Bollwerk der leidenschaftlichen Denkens im vollen Umfang des Begriffs, des leidenschaftlichen kritischen Denkens, das keine Zeit mehr hat, keinen Raum, dem nur noch wenige Refugien bleiben, die scharf bewacht werden.durch die vermeintlichen Gewissheiten der Massen. Wenn das Denken im Wert schwindet bleibt nur die Erziehung der Ästhetik, die ein Fühlen gegen die kalte Barberei schaffen muss. Vielleicht ist eine sich diesen Strukturen verweigernde Kunst somit die einzig verbleibende Waffe gegen den bürokratisierten Kapitalismus...

In nahezu jedem Bereich wird in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit Kompetenz gefordert und selbst Bildung wird als leere Worthülse noch gefeiert. In nahezu jedem Bereich, außer der Führung.
Dies gilt für die Politik, deren Kompetenzvoraussetzung theoretisch nicht gegeben ist, sich praktisch aber in der Juristerei ergießt, in der Anwendung und Auslegung von Gesetzen, nicht in deren kritisch-philosophischer Betrachtung, nicht in Ethik, in Philosophie, Soziologie, Psycholgie, Kulturwissenschaften, kurzum, in keinster Weise in Bereichen, die zum Verständnis von sich selbst und Gesellschaft oder in dem reflektierten Umgang mit Sollens-Sätzen liegt.
Dies gilt ebenso für den Unternehmensbereich, der sich völlig dem kapitalistischen Paradigma verschreibt und in den Menschen nachwievor als willfährigen und zu unterwerfenden Faktor sieht.
Sozialkompetenz, Kenntnisse in Arbeitssoziologie und -psychologie, ganz zu schweigen von deren kritischer Betrachtung oder gar ethische Grundlagen, die über deren Karrikatur als "Firmenphilosophie" hinaus gehen, sucht man vergebens.
Entsprechend wird geherrscht und dies in Unkenntnis um die Mechanismen von Herrschaft, mit einer Hoferiung der Macht, gestützt allein durch die Struktur, die selbst niemals thematisiert wird, ja aus Sicht der konservativen Herrschaft nicht werden darf.
Geleitet wird mit Macht, dem Zwang zum Gehorsam, dem Zwang zur Unterwerfung unter diese Wirklichkeit, die jedwede Kritik im Keim ersticken muss und in ihrer Unfähigkeit tut.
Je mehr und je aggressiver jedoch die Macht zur Herrschaft treibt, umso mehr sinkt die oft unteschätzte Kraft des Status, des "Freiwilligen", das "Anerkennen", des vertrauensvoll Folgenden und nicht durch Peitschen Getriebenen.
Zugleich sinkt mit jeder Ausübung von Macht der Status, der mit mehr Macht beantwortet werden muss, um die Herrschaft zu behaupten. Der Status verschwindet jedoch nicht, sondern siedelt sich neu an, er kann wachsen und gedeihen bei all jenen, die dieser Herrschaft nicht folgen.
Die größte Schwäche dieser Armut an Erkenntnis ist zugleich die Quelle der größten Macht ihrer Gegner. Nur der Status als freiwilig Gegebenes ist fähig eine Macht zu entfachen, die die alten Strukturen in Fallem steckt und Herrschaft als das offenbart, was all jene nicht verstehen, als Aushandlungsprozess, als fragil, als angewiesen auf das Folgen.
Es wird Zeit Herrschaft, ob im Unternehmen oder der Politik endlich auf eine Basis zu heben, die allein sich rechtfertigen kann, auf Erkenntnis, Kompetenz und die Fähigkeit sich selbst und andere, eigene und fremde Strukturen im Lichte der Kritik sehen zu können, den Aushandlungsprozess ernst zu nehmen und nicht zu ignorieren. Sicht nicht auf Strukturen stützen und sie mit Gewalt am Leben halten bis sie aus Unkenntnis endgültig zusammenbrechen und Energien freilegen, die mehr als Neues erschaffen, sondern alles zerstören können.
Es muss eine Herrschaft des Status, des Diskurses und der Kenntnis sein.

Ich bin Emotionsforscher, ich bin privilegiert, ständig erschließen sich mir neue Gefühle, neue alte Gefühle, die längst im Papierkorb der Geschichte gelandet sind. Ich will sie alle erleben, die Täler, die Berge, die Fluten und Donnerwetter, den Sonnenaufgang und -schein, den gleißend hellen Tag und die tiefschwarze Nacht. Gefühle sind das Leben, sie sind das Tor zur Welt, zu allen Welten.
Schluss mit dem Dogma des ewig spezifisch "glücklichen", schluss mit der Vermarktung und Instrumentalisierung der Gefühle, schluss mit der kapitalistischen Ausbeutung des Fühlens. Beginnen wir die Reise in die Welt und hören wir auf Gefühle regulieren und sanktionieren zu lassen.
Die Gefühle mögen nicht unsere eigenen Erfindungen sein aber sie sind unsere eigenen Empfindungen. Öffnen wir uns, leben wir sie, leben wir das Leben selbst. Wiederbeleben wir die Melancholie, die Schwermut, die Ehre, die tobende Leidenschaft der Verliebtheit, beleben wir sie alle wieder und leben wir sie. Beleben wir das Leben, erfreuen wir uns an der Vielfalt, zerschlagen, lehren und erweitern wir die Welt in und durch uns. Lernen wir wieder neu fühlen!
Verwerfen wir den emotionalen Kleingeist und wenden wir uns der Welt zu. Vielleicht, nur vielleicht schaffen wir so einen neuen Zugang zur Welt, zum "Guten, Schönen, Wahren", das allein die Welt bewahren kann.
Ich sage nicht: "Denke nicht!", ich sage "Denkt UND fühlt!", denn nur das Denken kann uns von den tief verwurzelten Schranken des Fühlens befreien.
Ich sage: "Beginnt jetzt! Denkt und fühlt den fühlbaren Moment!"
Wenn ihr glücklich seid, so seid es, wenn ihr traurig seid, seid es! Seid es und denkt nicht an die Maschinen um euch herum, kümmert euch nicht um "Stärke" und "Schwäche"! Führt euch selbst in diese Freiheit, denn es wird keinen neuen Propheten geben...

Politik, da sie der Lebenswelt Grenzen setzt und Richtung gibt, sie formen will, muss selbst über dieser stehen, sie muss deren Einflüsse, ihren konstruierten Charakter erkennen, dekonstruieren. Tut sie dies nicht, läuft sie Gefahr nur unhinterfragt eigene Lebensentwürfe zu verabsolutieren. Politik selbst erfordert somit den höchsten Grad an kritischem Denken, an Selbst- und Weltreflektion, um wirkliche Legitimität, die nur in erkenntnistheoretischer und ethischer "Überlegenheit" bestehen kann, zu erzeugen. Grundlage politischer Ausbildung muss insofern zwingend Philosophie sein, die, obwohl Teil der Welt, auch außerhalb, über und neben ihr stehen kann. Solange dies nicht gegeben ist, entspricht Politik und die von ihr produzierte Moral lediglich einem primitiven Konformismus unterschiedlicher Ebenen. Sie kann somit keine Geltung beanspruchen.

Wie die Idee der "gewaltfreien Gesellschaft", arbeiten auch Ideen wie der "Anarchismus" oder die Idee von der "westlichen Gesellschaft, in denen es ja allen gut geht" mit begrifflichen Reduktionen.
In dem der Inhalt von Begriffen wie "Gewalt", "Herrschaft" oder "gut gehen" ideologisch reduziert wird, wird eine Wirklichkeit geschaffen, die in der Tat als "gewaltlos", "herrschaftsfrei" oder "für alle gut" Geltung beansprucht. Dies ist die wirklichkeitserzeugende Macht der Sprache.
Das "Negative" wird begrenzt, nicht kommunizierbar gemacht, sprachlich eliminiert und kontrolliert, den "Gewaltbetroffenen", "Beherrschten" und denjenigen, denen es "schlecht geht", wird die Möglichkeit der Artikulation entzogen, ihr Sprechen wir dem Diskurs entzogen.
Die Inkonsistenz und ideologische Prägung der Begrifflichkeiten und Diskursregeln wird verschleiert. Das Sprechen scheint so nur das je Vorzufindendene wiederzugeben, ganz im Gegensatz dazu schafft es das Vorzufindende jedoch selbst. Das System schützt sich mit der Meinungsfreiheit gegen diesen Vorwurf, erschafft jedoch die Regeln des Sprechens, vermittelt sie, lehrt sie und bestraft das Abweichen immer. Meinungsfreiheit ist nicht die "Freiheit" des Sprechens, sondern die "Freiheit" des Sprechens im vorgegebenen Rahmen.
Sprach- und Diskursanalyse sind Kritik, das Sprechen ist Widerstand, Konstruktivistische Philosophie und Kunst in diesem Sinne das Lehren eines Sprechens.

Sonntag, 30. März 2014

Das Sprechen

Die folgenden Zeilen sind ein Plädoyer für das scheinbar Unbedachte, für das oberflächlich Chaotische,
gegen das Allgemeine. Inspiriert haben mich dazu letztlich viele Gespräche, wie sie wahrscheinlich viele kennen, sowie eine konkrete Person und ihre Erfahrungen, der ich für diese Inspiration sehr dankbar bin.
Gespräche über das was allgemein als "Kultur" gilt, "Politik", "Zeitgeschehen", ja selbst "Kunst(genuss)",
in denen sich die Allgemeinheit von sich selbst abheben will. Etwas über das Gesprochen werden muss, weil es allgemein ist, alle betreffend aber in denen jeder ausgestoßen wird, der das Sprechen darüber scheinbar nicht beherrscht. Nicht der Diskurs ist der eigentliche Ort dieses Sprechens, sondern das "Geplapper", ein streng reguliertes Sprechen, in welchem sich die sprechende Allgemeinheit von einer nur betroffenen Allgemeinheit abheben will. Das Ganze stellt einen Versuch dar, zugleich anders über das Sprechen zu sprechen, als es allgemein gewohnt scheint. Ob es mir gelungen ist im Sinne wie ich es wollte, kann ich nicht beurteilen. Ich bin kein Poet, kein Lyriker, bewege mich nicht bewusst in deren diskursivem Rahmen, sondern lehne mich allenfalls an, verarbeite nur mir bekanntes Schönes, schaffe also in begrenztem Sinne meinen eigenen Diskurs, der aus allgemein poetischer oder lyrischer Sicht wohl wenig schön genannt werden wird. Es ist eine Übung in anderen Formen des Sprechens, die sich aus mir bekanntem Sprechen speist, mehr nicht. Es bleibt momenthaft, unegenügend, roh. Die Protagonisten dieses Gesprächs über das Sprechen sind ebenfalls nicht mit de Inhalt, der diesen Zeichen allgemein gleichkommt zu verwechseln. Sie sind keine Vollständigkeit, kein allgemeines Urteil, sie sind nur Konnotationen und sollen als solche verstanden werden. Sie sind daher im Text auch nur als Sprechendes verkürzt angegeben.


Gesrpäch über das Sprechen

Teilnehmer:
k: die Kunst
p: die Philosophie
m: die Masse

k: ich hasse!
m: das tust du nicht!
k: nun doch.
m: du magst nicht leiden können, wütend und verärgert sein, doch hassen: nein!
p: was ist denn hass?
m: es ist ein übel, ein gefühl, ein extrem, verachtenswert.
p: woher sag masse, weisst du das?
m: ich bin es, die dir das sagt.
p: und was du sagst, dass ist nur dein, von dir geschaffen und nur für dich allein. so gibst du vor was fühlen ist, bewertest, sprichst und alles sei dir untertan. nicht die natur erschuf dies fühlen, erst du gabst ihm den namen, seinen sinn. doch dieser ist nicht der der kunst, ihr hass nicht dein. letztlich ist alles was du sagst, dass sie nicht in deinem sinne sprechen kann.
k: ach dann zünd ich mal die kerzen an.
m: wie dumm! unpassend! wirr!
p: und wenns so wär, doch welten über dir.
m: erklär!
p: zerstört hat sie dein sprechen, deine regeln, sich geltung gegen dich verschafft.
in deiner welt ist sie das chaos, doch offenbart sie nur die fesseln, macht frei und ist doch eigentlich kein chaos, eine neue ordnung nur, die dir den spiegel zeigt, die vielheit statt die einfalt honoriert.
statt blind zu sprechen, deine welt zu leben, hat sie dir eine andere gegeben. sie zeigt wie eingeschränkt du bist, wie wenig du doch siehst, wie vielen regeln du doch unterliegst.
unüberlegt soll sie wohl sein, doch wer mag unüberlegter sein? der der spricht und blind des sprechens ordnung folgt und nicht sieht, wie daraus nur eine welt von vielen folgt? oder jener, der offenbart, dass das sprechen eine ordnung hat, eine von vielen, der man nicht folgen muss doch kann.
erst im zerstören zeigt sich vielen die struktur, die welten schafft.
ihr zerstören nun hat eine kraft, die deine "freiheit" schwindeln macht, die viel mehr zu offenbaren wagt,
als dein ewig gleiches sprechen, das ALLES andere zerstört.
sie ist nicht dumm, nicht unüberlegt, noch wirr, nicht chaos, sondern kunst, das neue, alte, andere.

Montag, 24. März 2014

Polemik gegen die Wirklichkeit

Selbst so scheinbar harmlose und „selbstverständliche“ Konzepte wie „Professionalität im Job“, verbergen einen aggressiven Imperativ der Form: „Pass dich der hegemonialen Wirklichkeit an! Funktioniere! Erkenne die Ordnung an! Frag nicht, denke nicht! Oder spüre den Zorn!“ Ein Ausscheren, ein Verweigern, ja selbst die Kritik dieser Wirklichkeit, an diesem „Heiligen“ der Gesellschaft unter kapitalistischem Paradigma, wird mit dem Stigma des „Anders-seins“, der „Radikalität“, des Chaos oder einer ganzen Reihe von anderen versehen und ist mit erlernten sozialen Handlungsanweisungen des Strafens versehen, wie der Aberkennung von Status, der sich in „Produktivität“, „Ordnung“, usw. reduktionistisch und ideologisch kanalisiert, ja selbst mit Armut und Ausschluss, um die Ordnung, die Gewissheiten und vermeintlichen Sicherheiten nicht zu gefährden, kurz, mit einer Vielzahl an emotionalen Gewaltakten, die im Erlernen des „richtigen“ Fühlens bereits angelegt sind. Freilich existieren Gegenwirklichkeiten, Alternativen aber diese werde wie selbst der Selbstmord der hegemonialen Wirklichkeit eingegliedert, bestätigen sie statt sie in Frage zu stellen. Sie werden geduldet, da sie die hegemoniale Wirklichkeit nur tangieren, sie berühren aber nie in Frage stellen können. Tun sie dies, so greift die Strafe. Lasst uns dies erkennen und Sie Stück für Stück zerstören, ihr Stück für Stück eine andere entgegensetzen. Lasst uns Lyotards Patchwork der Minderheiten schaffen und lasst uns eine Wirklichkeit bauen, die erträglich für alle sein kann.

Samstag, 15. März 2014

Plädoyer für das Fühlen

Ich bin Emotionsforscher, ich bin privilegiert, ständig erschließen sich mir neue Gefühle, neue alte Gefühle, die längst im Papierkorb der Geschichte gelandet sind. Ich will sie alle erleben, die Täler, die Berge, die Fluten und Donnerwetter, den Sonnenaufgang und -schein, den gleißend hellen Tag und die tiefschwarze Nacht. Gefühle sind das Leben, sie sind das Tor zur Welt, zu allen Welten.
Schluss mit dem Dogma des ewig spezifische "glücklichen", schluss mit der Vermarktung und Instrumentalisierung der Gefühle, schluss mit der kapitalistischen Ausbeutung des Fühlens. Beginnen wir die Reise in die Welt und hören wir auf Gefühle regulieren und sanktionieren zu lassen.
Die Gefühle mögen nicht unsere eigenen Erfindungen sein aber sie sind unsere eigenen Empfindungen. Öffnen wir uns, leben wir sie, leben wir das Leben selbst. Wiederbeleben wir die Melancholie, die Schwermut, die Ehre, die tobende Leidenschaft der Verliebtheit, beleben wir sie alle wieder und leben wir sie. Beleben wir das Leben, erfreuen wir uns an der Vielfalt, zerschlagen, lehren und erweitern wir die Welt in und durch uns. Lernen wir wieder neu fühlen!
Verwerfen wir den emotionalen Kleingeist und wenden wir uns der Welt zu. Vielleicht, nur vielleicht schaffen wir so einen neuen Zugang zur Welt, zum "Guten, Schönen, Wahren", das allein die Welt bewahren kann.
Ich sage nicht: "Denke nicht!", ich sage "Denkt UND fühlt!", denn nur das Denken kann uns von den tief verwurzelten Schranken des Fühlens befreien.
Ich sage: "Beginnt jetzt! Denkt und fühlt den fühlbaren Moment!"
Wenn ihr glücklich seid, so seid es, wenn ihr traurig seid, seid es! Seid es und denkt nicht an die Maschinen um euch herum, kümmert euch nicht um "Stärke" und "Schwäche"! Führt euch selbst in diese Freiheit, denn es wird keinen neuen Propheten geben...





Dienstag, 11. März 2014

Flüchtige Momentaufnahmen, Provokationen und Gedankenspiele III

Was sind Gefühle? Wie können wir sie beschreiben, was können wir von ihnen lernen, was können wir glauben?
Was wir spüren sind körperliche Erregungszustände, die wir anhand der Skala "positiv" und "negativ" einordnen und dann, gemäß des Kontextes und der durch die Gesellschaft bereitgestellten Muster zur Gefühlen formen.
Die Formung wirkt auf das Wahrnehmen zurück und bewertet. Gefühle sind also Muster des Wahrnehmens und Kommunizierens. Und ich höre den Aufschrei, das stumme Aufbegehren gegen solch "konstruktivistisches Hexenwerk", das "entzaubert", uns der Gewissheiten und unserer Wahrheit beraubt, uns einengt, uns nur als geformte Produkte zurücklässt.
Aber der Konstruktivismus ist mehr, er ist der Weg in eine neue Freiheit. Wenn die Erregungszustände und die Konventionen in denen wir sie kanalisieren alles sind, dann können wir uns und die Gesellschaft sich entscheiden. Was soll Hass sein, sollen wir hassen, zürnen, abwerten? Wir haben die Freiheit Gefühle zu bauen. Aus der Enge des Geformten entspringt so die Freiheit des Formens. Nicht eine "Entzauberung" ist das Ergebnis, sondern eine Transformation vom Wunder der "Wahrheit" zum Wunder der "Entscheidung".
Der Konstruktivismus führt uns nicht in ein enges Gefängnis, sondern auf den Berg, auf dem wir, das Tal endlich überschauend, uns neu entwerfen können, in der das Schaffen, das Denken und letztlich auch die Moral ihre Geltung erhalten.

Toleranz ist ein Dogma, ein Idol, ein Götze unserer Zeit und Welt.
Toleranz ist zu etwas "Heiligem" im Durkheimschen Sinne geworden, gemacht worden.
Als solcherart "Heiliges" stellt es einen zentralen Wert dar, auf den hin uns die Gesellschaft einschwört.
Betrachtet man jedoch diesen Wert genauer, so unterscheidet er sich nicht von all den anderen, im Kern leeren, willkürlich füllbaren und gefüllten Wertkonstruktionen, die zur Identitätsbildung und als politische Kampfbegriffe dienen.
Jeder beansprucht ihn als einen Begriff, seinen Wert, den er spezifisch füllt, den er seiner Wirklichkeit, seiner spezifischen uznd exklusiven Wirklichkeit einverleibt. Auch Toleranz ist somit ein mit spezifischen Ausgrenzungsbemühungen ausgestatteter Hohlwert, der unterschiedliche Inhalte aufweisen kann, als etwas "Heiliges" sich aber als unangreifbar setzt, als Zwangsidentität, als Teil des "Guten, Wahren, Schönen".
Dabei birgt auch und gerade dieser sein Gegenteil, das "Häßliche, Falsche, Schlechte" in sich. Toleranz ist auch ein Begriff der Intoleranz.
Das zu Ertragende ist begrenzt und muss es auch, entgegen der unreflektierten Beteuerung seiner Reinheit und Heiligkeit, auch sein. Dies erkennend zeigt sich, dass alle gängigen Toleranzbegriffe keine qualitativen, sondern allenfalls quantitative Unterschiede aufweisen, nur Verschiebungen des als zu ertragen konstruierten.
Ein qualitativer Unterschied kann erst beginnen, wo dies erkannt wird.
Nicht die Worthülse Toleranz als Kampfbegriff zur Hervorhebung der Superiorität der eigenen Wirklichkeit oder zur Denunziation anderer, inferiorer Wirklichkeiten, gilt es zu stärken, sondern offen und bewusst eine Füllung, die eine größtmögliche Erträglichkeit für alle garantiert, eine Wirklichkeit also, die bewusst auswählt und in der der Götze der Toleranz zum Werkzeug wird, zum Mittel und nicht zum inhaltsleeren oder vermeintlichen idealen Heiligen degeneriert.
Statt das Ertragen der eigenen, unreflektierten Wirklichkeitskonstruktion zu fordern, gilt es, die Wirklichkeiten kritisch zu prüfen, jede einzelne. Nicht Toleranz ist das Heilige, sondern eine erträgliche Wirklichkeit zu schaffen.

Die Wahrheit zu töten, heisst nicht, den Menschen ins Chaos zu stürzen. Es heisst, den Menschen hin zu einer größeren Handlungsfreiheit, zu einem freieren Denken zu begleiten. Es heisst, ihn vom sozialen Zwang der vermeintlichen Natürlichkeit allen Seins seiner Welt zu befreien. Das ist die Gabe und das Vermächtnis konstruktivistischer Philosophie und Kunst.

Immer noch ist eine Form aristotelischer Rhetorik vorherrschend, in der Politik, den Medien und selbst der Populärwissenschaft. Es ist eine Rhetorik der "allgemeinen Wahrscheinlichkeit", die das Motto stellt. Nicht das "Wahre, Gute und Schöne" ist ihr Zweck, sondern jenes, welches die Masse für möglich, denkbar, annehmbar hält. In diesem Sinn werden ihre Diskurse durch den Konservatismus der Massen bestimmt. Sie ist schmeichelnd, anbiedernd, gewinnsüchtig und reproduziert lediglich bereits Gegebenes. Sie ist die Krankheit der Demokratie wie wir sie leben. Eine Ablehnung dieser Rhetorik bedeutet jedoch nicht, Erkenntnis und Moral nicht angemessen zu kommunizieren, sie bedeutet, den Zweck hin zu eben jenem "Guten, Wahren, Schönen" zu verschieben, zu einer Rhetorik der Gerechtigkeit und nicht des gewinnsuchenden Schmeichelns, hin zu einer Rhetorik, die sich in ihren Inhalten nicht dem Gusto und unreflektiertem vermeintlichem Willen der Massen prostituiert, kurz, eine Rhetorik didaktischer Epistokratie anstelle statt kapitaldemokratischer Demagogie...

"Mann" und "Frau" existieren, wie alle sozialen Kategorisierungen, nur als eben solche Konstrukte deren Aufgabe es ist, die vorgefundene Welt notwendig zu strukturieren. Sie sind damit willkürlich, dem Sozialen nicht vorgängig, sondern Produkte dessen. Diese Sicht leugnet nicht, dass es innerhalb des Diskurses "Biologie" Unterschiede gibt. Diese Sicht beachtet jedoch, dass die Zuschreibung von sozialen Rollen und Bedeutungen aufgrund dieses Wahrnehmungsfokus, ja selbst die Wahrnehmung derselben, "willkürlich" genannt werden muss. Ebenso denkbar wäre grundsätzlich eine Wahrnehmung und Bedeutungsbelegung aufgrund der Körpergröße anhand von Kategorien wie jenen "über 1,90m groß" und "unter 1,90m groß", bei denen erstere als "superior" und letztere als "inferior" gekennzeichnet wird und an welche sich soziale Rollen anschließen, die ebenso scheinbar auf "Natürlichkeit" verweisen. Beide Varianten, das Geschlecht wie auch die Größe, lassen sich ebenso in einen jeweiligen, sie legitimierenden Diskurs überführen und beide bleiben letztlich konstruiert, entsprungen dem Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit, nach Gewissheit und Handlungsfähigkeit.

Dienstag, 25. Februar 2014

Verstehen als ein Missverständnis - Gegenkapitalistische Polemik auf Grundlage des Sprechens

"Du verstehst mich nicht" ist eine Anklage und zugleich das grundlegende Wesen des Sprechens. Es ist zugleich ein (affektbezogener) Gewaltakt hegemonialer Wirklichkeit.
Es gibt kein Verstehen im absoluten Sinne, sondern nur Grade abnehmenden Missverstehens. Unser Sprechen strukturiert unser Sein und ist strukturiert durch dieses, durch kulturelle, soziale und biographische Bestände, aus denen das "Ich" sich und sein Sprechen bildet.
Wir sprechen daher nicht eine Sprache, sondern unendliche viele quasi-individuelle. Das Verstehen als relationales Verstehen hängt damit davon ab, wie kongruent unsere jeweilige Wirklichkeitskonstruktionen sind. Das Verstehen als Forderung setzt eine hegemoniale Wirklichkeit voraus und durch.
Mit anderen Worten, das Verstehen hängt nicht vom Sprechen ab, sondern vom bereits vorher existenten Verstehen, welches anzugleichen versucht wird. Auf diese Weise schafft das Sprechen in seinen Diskursen Konformität.
Dies täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass jede Kommunikation als Kommunikation einer Wirklichkeit in eine andere hinein einer Bedeutungsverschiebung in sich trägt, die jedes System bis zu ein em gewissen Grad gemäß seiner Vorstellungen auszugleichen wünscht.
Gut zu beobachten ist dieses Phänomen im Bereich der Wissenschaftssprache und der Forderung an diese, verständlich sein zu müssen, sich herab zu begeben, sich zu vereinfachen, sich aufzugeben.
Dies setzt voraus, dass zu Begriffen geronnene Vorstellungen/Vorstellungsketten, ganz Diskurse, Singularitäten des Wissens und der Erkenntnis entsponnen werden müssen, mit der damit einhergehenden Reduktion und Verschiebung ihres Inhalts und so kaum mehr als "einfache", "vereinfachende" Grundüinzipien übrig bleiben, die sich der Logik des "leichten Konsums" des Kapitalismus unterwerfen.
Diese Logik wird durch Diskursregeln aufrecht erhalten, wie jenen der Zuschreibung von Arroganz als Bewältigungsmittel "sprachlicher Superiorität".
Der Weg darf jedoch nicht jener der Vereinfachung sein, wo diese sich selbst genügt und nicht das Komplexe vorbereitet. Nicht die Vereinfachung der Erkenntnis, die der Komplexität des Seins widerspricht und die Massen kontrollierbar macht, sondern die Verkomplizierung der Massen ist das Mittel der Heilung. Das Moment der Angleichung des Verstehens soll nicht auf Vereinfachung zielen, sondern auf tieferer Durchdringung dessen, was die Welt im innersten Zusammenhält.
Damit verbunden ist eine Aufwertung des Denkens, der Kontemplation vor dem Handeln und als Handeln, entgegen kapitalistischer Produktionslogik, entgegen reduktionistischem Funktionieren als Systembaustein und entgegen der Logik des schnellen und einfachen Konsums. Das Denken des Alltags muss Raum zur Komplexität bekommen und das Denken der Reflektion darf Vereinfachung nur da zulassen, wo es der Komplexität, der Bildung dient. Statt eines kapitalistischen Verstehensbegriffs soll und muss ein deliberativ-epistokratischer entstehen, nur so ist ein Hauch von Freiheit vor und von uns möglich.

Dienstag, 18. Februar 2014

Flüchtige Momentaufnahmen, Provokationen und Gedankenspiele II

hier einige weitere kurze Gedankenspiele, Provokationen, Sprüche, Polemiken, usw.


Welt und Wirklichkeit(en)

Eine gewaltlose Gesellschaft ist ein Irrglaube, eine intellektuelle Pathologie. Die Postulierung einer solchen basiert immer auf einem reduktionistischen, verschleiernden, infantilen und konstruiertem Gewaltbegriff, der bestimmte Formen herauskategorisiert und andere positiv gewendet kultiviert. Selbst das Ideal einer gewaltlosen Gesellschaft, selbst eine Ethik der Gewaltfreiheit bleibt im Grunde gewalttätig. Durch Erziehung, deren umfassendere Form die Sozialisation und sanktionierende und sanktionierbare Hierarchisierungen der Welt zu Wirklichkeit setzt sie sich als Grundstein eine solche Wirklichkeit als hegemoniale, die andere Wirklichkeiten vernichten wird. Jeder Wirklichkeit wohnt das Moment der Gewalt inne, eine Exklusivität, eine Reduktion, die nahezu immer zur wahren Natur erhoben wird. Gewalt ist dem Leben letztlich inhärent. Die Frage ist demnach nicht, ob Gewalt schlecht ist, sondern wie und in welcher Form sie gebraucht werden sollte und zu welchem Ziel. Letzteres sollte die Schaffung einer für alle emotionale Wesen erträglichen Wirklichkeit sein und auch diese wird ihre Grenzen mit Worten und Waffen, mit Erziehung, Bildung, Sozialisation, kukturellen Sinnstiftungen, Therapien, rechtlichen und sozialen Sanktionen, kurz mit einer ganzen Reihe an gewalttätigen und durch Gewaltmomente gestützten Prozessen verteidigen.

Die Wahrnehmung einer Person hängt maßgeblich von unseren Begriffen und Kategorien ab. Diese verändern sich spätestens wenn wir der Person einen neuen emotionalen Wert zuschreiben, sie also kennen und in Bezug auf sie fühlen lernen. Dies zeigt den Wert den Gefühle und Emotionen zur Veränderung von Selbst und Welt haben, der diese noch vor die Kognition stellt. Denn erst die Gefühle schaffen den Unterschied der Kategorien und Begriffe entstehen lässt. Ob wohlwollende oder feindliche kann dabei zumindest begrenzt von uns selbst entschieden werden.


Jedes Wort wählt aus. Jedes Wort schafft im Auswählen Wirklichkeit. In der Schaffung dieser Wirklichkeit tötet es letztlich all jenes, das ausgegrenzt, abgewählt wird. Jedes Sprechen erschafft die Welt. Die Wiederholung heisst Macht, Struktur, Formung. Wir sollten mit Bedacht sprechen.

Es gibt keinen Vorzug der Tat vor dem Wort. Worte sind Taten, Worte sind Waffen, Worte sind Gift und Medizin, Worte schaffen, verändern und zerstören Welt und Wirklichkeit. Worte erschaffen, Worte zerstören und Worte tun dies immer zugleich.

Wir müssen eine Welt schaffen in der das Denken wieder Wert hat. Eine Welt in der das denkende Individuum eine Wertigkeit abseits seines verkollektivierten Seins zum Ziele kapitalistischer Produktion als höchstem gesellschaftlichem und politischem Gut mit seiner eingeschränkten Produktivitätsbegrifflichkeit bekommen kann. Nur so überwinden wir die anmaßenden Obszönitäten von Kapitalismus und quantitativer Demokratie. Dass ein solcher Wert für jene eine Gefahr darstellt, zeigt sich in der wissensbulimischen Verschulung der Universität, die diese als letzten Hort der Wertschätzung des Denkens zu vernichten trachtet und die somit die kaputalistische Produktionsethik in die universitäre Bildung im letzten Gefecht einschreiben will. Unser Denken, Fühlen und Handeln, unser ganzer Wille und unsere ganze Kraft sollte dies zu verhindern trachten.

Warum werden Menschen verrückt? Weil die Welt den Wahsinn kultiviert. Das wir überhaupt so etwas wie "geistige Gesundheit" bei der Masse an täglich gesellschaftlich produzierten Paradoxien konstruieren können, ist wohl eines der größten Wunder die der bewußte Geist hervorgebracht hat.

Eine Gesellschaft, die materiellen Besitz als eine der wichtigsten Grundlagen für Anerkennung und Status konstruiert, das Bedürfnis nach diesem mittels Werbung körperlich durch Emotionen verankert, indem sie nicht das Produkt anpreist, sondern dessen als wertig erachteten Verheißungen (Glück, Frauen, Zugehörigkeit), eine Gesellschaft, deren Wirtschaftssystem letztlich nicht ohne dieses permanente Bestreben existieren kann, provoziert zwangsläufig den Diebstahl als Aneignungsform, die sie freilich kriminalisieren muss. Eine solche Gesellschaft schafft Individuen, die emotional zur Erreichung von Anerkennung, Status und Zugehörigkeit, ja selbst von Glück an diese Produkte und deren Verheißung gebunden sind. Sie erhält dieses Streben aufrecht, indem sie Ressourcen ungleich verteilt und durch ihr soziales System Chancen verwehrt. Nicht zuletzt sichert die Kriminalisierung das System und spricht allein dem "Täter" die Schuld zu.
Doch selbst wenn der Täter "schuldig" ist, so ist doch die Gesellschaft verantwortlich. Dies gilt umso mehr, als dass jede konkurrierende Wirklichkeit, jede "Subkultur" zur Bedrohung wird, da sie das Wertesystem auf dem alles fußt, in Frage stellt.

Dass wir alle die gleichen Chancen hätten und mit Arbeit jeder zu Reichtum gelangen könne, sind zwei der größten und fundamentalsten Lügen des Systems. Mit diesen wird sowohl das Wertesystem, in welchem materieller Besitz Wohlstand, Anerkennung, Glück und Status bedeuten, reproduziert, die kapitalistische Maschinerie am Leben erhalten und das System legitimiert, als auch in Verbindung mit der Idee des objektivierenden Struktufunktionalismus die Schuld die wir an dieser Reproduktion haben, negiert. Weder sind diese materiellen Bedürfnis der Kultur vorgängig, noch gibt es annähernd gleiche Chancen. Ohne Armut die wir alle stützen gibt es keinen Reichtum...

Natur ist ein kulturelles Konstrukt. So wenig wie wir Zugang zu einer Realität außerhalb unserer Erfahrungen haben, so wenig haben wir Zugang zu einer Natur die außerhalb unserer kulturellen Deutungssysteme liegt. Jedoch ist Natur zur höchsten Instanz der Rechtfertigung geworden, die ihre soziale Konstruktion mahezu völlig verschleiert. Das macht sie so mächtig wie gefährlich.

Ein Unternehmen, welches bereits in seiner Stellenausschreibung Loayalität einfordert, sollte mit Argusaugen und Argwohn betrachtet werden. Loyalität kann verdient werden aber nicht bereits a priori eingefordert sein. Wird es das, so sollte Misstrauen die Antwort sein. Nur Religionen, Dogmen und die alltägliche Lebenswelt als Quasi-Religion fordern ein solches A priori. Dem kritischen Denken muss dies supekt sein.

Kultur ist das Geflecht des Bedeutungsnetzwerks unserer Lebenswelt und dessen (Re)Produktion, das unhinterfragt Gegebene, wie das Halbbewusste, dass leiblich verankert, Sinn, Bedeutung und Handlungsgründe bereit stellt. Die Reduktion des Begriffs auf "Kunst" zeigt die gewünschte Haltung gegenüber Kultur an, sie soll als "Hochkultur" rezipiert, in der "Allgemeinkultur" aber unbeachtet und einstudiert bleiben. Kultur ist weit mehr als Kunst. Das Treffen einer Gruppe Bauarbeiter zur Mittagspause am Pommesstand ist ein hoch komplexer kultureller Vorgang, den es nicht nur zu rezipieren oder als fraglos Gegebenes lebensweltlich zu verstehen gelten muss, sondern zu erklären, zu hinterfragen, um uns so selbst besser zu verstehen und verändern zu können.

Wirkliche Bildung, verstanden als die Befähigung und Herausbildung zum (selbst)kritischen Denken, ist der Todfeind unseres Systems, welches wir beständig in unserem Denken und Handeln bis hinein in die rudimentärsten und alltäglichsten Routinen reproduzieren. Im offiziellen Bildungsbegriff, der in einer öbszönen Reduktion und Fetichisierung auf instrumentell-technisches Wissen, besteht, zeigt sich dies deutlich. Demgegenüber müssen die Worte John Stuart Mills zum Bollwerk der Universität gegen die Vereinnahmung durch systemreproduzierende Reformen werden: „Sie glauben, daß die Universität die Jugend für eine erfolgreiche Laufbahn in der Gesellschaft vorzubereiten hat; ich glaube, daß ihre einzige Aufgabe die ist, ihr den männlichen Charakter zu geben, der es ihr möglich machen soll, den Einflüssen der Gesellschaft zu widerstehen.“

Realität im Sinne einer "objektiven und uns zugänglichen Wahrheit" existiert nicht. Alles was wir stattdessen haben, ist ein milchiger Schleier gleich einem unbeschriebenen Blatt, auf dem wir etwas zu entdecken glauben, das uns bedeutungsvoll erscheint. Hieraus bauen wir uns in wechselseitiger Versicherung unsere Wirklichkeiten an die wir uns klammern um dem Chaos der Welt ohne Sinn und Orientierung zu entkommen. Realität als eben jene "erfassbare Wahrheit" ist eine Erfindung, die unsere Wirklichkeit vor Willkür und Chaos schützen soll, indem sie die Illusion errichtet, unsere Wirklichkeit, unsere Konstruktionen, unsere Perspektiven könnten in Übereinstimmung zur "Wahrheit" eine "natürliche" normative Kraft entfalten. Nur dadurch meinen wir, um unsere Wirklichkeit bis aufs Blut kämpfen zu können und zu müssen. Wie die Realität selbst, ist auch dies nur ein trügerischer Schein, es ist nicht mehr als das agressiv-angstvolle und nach Sicherheit strebende Zurückkriechen in den mütterlichen Schoß der Gemeinschaft, die uns immer wieder im Glauben an die "Wahrheit" wieg.

Kunst

Zerschlagt die Wirklichkeit; mit Worten, Bildern, Taten vernichtet Sie!" Das muss das oberste Credo revolutionärer Kunst sein. In der herrschenden Wirklichkeit, die sich als fraglos Gegebens zeigt und ihren willkürlichen Charakter verschweigt, sind wir in endloser Reproduktion gefangen, in all ihren Ordnungen, Werten und Hierarchien. Die sich als Norm setzende Wirklichkeitskonstruktion ist damit die Grundlage des leidproduzierenden Systems, dass es zu überwinden gilt. Zerschlagt die Wirklichkeit und setzt ihr eine andere entgegen. Dies ist die überfällige Psychotherapie der Welt. Philosophie und Kunst sind die bittere Medizin und der Vorschlaghammer.

Ich fordere eine wieder-neue Kunst, entsprungen aus einer "negativen Ästhetik", die der hegemonialen Wirklichkeit, welche geprägt ist durch der aus der protestantischen Arbeitsethik entstandenen kapitalistischen Denkweise des produktiven Strebens-Ideals und der darin eingebetteten Glücksethik, der in den als negativ assoziierten Gefühlen Pathologien sieht, die das Individuum zum Ziele des produktiven Strebens bezwingen müssen soll, über eine Ästhetik des Schwermütigen eine andere entgegenstellt. Die Melancholie als kontemplatives, nicht produktiv-strebendes Gefühl muss wieder aufgewertet werden. Diese Ästhetik sieht das Heil nicht in einer Reduktion hin auf eine Konstruktion des Glücklichen als Schönem und Gutem, sondern in der Komplettierung des (Er)Lebens. Ich fordere eine Kunst, die sich dem Kunstgenuss als passivem Erleben verweigert, die prozesshaft, auszugshaft bleibt und die Rezeption als ihr komplettierendes Moment denkt.

Wissenschaft und Welt

Wenn wir die Erkenntnisse der Emotionsforschung ernst nehmen und ich denke, dass sollten wir, wenn wir also bereit sind, zu glauben, dass Emotionen das Denken in bisher kaum geahntem Maße beeinflussen, sollten wir dann nicht vergleichend in verschiedenen emotionalen Zuständen arbeiten? Gehört dann nicht zumindest die Hervorhebung, die Explizierung des zu erforschenden eigenen emotionalen Zustands, freilich mit kritischer Betrachtung der zu dieser Erforschung gebrauchten "Begriffe", zur Grundlage wissenschaftlich-relfexiven Schreibens und Denkens? Ist dies nicht ein weiteres Argument gegen die falsch verstandene Eliminierung des Selbst aus dem Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens zur Generierung vermeintlicher Objektivität, die letztlich nur eine Ignorierung des Selbst darstellt, die das Tor ist, die eigentlich zu vermeidende Subjektivität unereflektiert mit offenen Armen hineinzulassen und damit die ihr eigenen Vorannahmen, Schemata und Begriffe? Was könnte uns demgegenüber der emotionale Zustand des Forschenden und Schreibenden sagen? Ich glaube, die Zeit des Dogmas der "Objektivität" muss vorbei sein. Das Selbst soll nicht ignoriert, sondern, entgegen der immer noch vorherrschenden Ignorierung, in den Schreibprozess offen integriert und verhandelt werden.



Sonstiges

Und vor ihm offenbarte sich die Welt in all ihren Facetten. Als der hässlich-schöne Misthaufen mit den Mistkäfern, die unentwegt den Kot ihrer Zivilisation von einem Ende zum anderen rollen, mit den Blumen, die sich lieblich duftend der stinkenden Ödnis die sie ernährt und erstickt emporankend widersetzen. Er wollte lachen und weinen über das immer gleiche Spiel des Gewimmels Ordnung in das Chaos zu bringen, die doch nur neues Chaos gebiert. Das ewig währende blinde Streben faszinierte ihn. Er wollte lachen und weinen aber alles was er konnte war das Spiel stumm und reglos betrachten. Nach Äonen der Betrachtung wandte er sich schließlich ab...

Das Bewahren der Kindlichkeit ist das einzige Bollwerk, zumindest aber ein Refugium gegen die kindische, dunkle und enge Obszönität die der Kerker der Erwachsenenwelt darstellt. Wir sollten sie alle hüten und uns nicht allzu willfährig der hegemonialen Wirklichkeit der Erwartungen jener Welt unterwerfen.

Unsicherheit, auch wenn sie auf der anderen Seite zu übersteigerter Klammerung an vermeintliche Sicherheiten führen kann, ist, entgegen der Geringschätzung als Schwäche in unserer durch Leistungethos geprägten Kultur, das Fundament von Weisheit. Nur aus Unsicherheit kann ein Hinterfragen hegemonialer Wirklichkeiten entstehen. In dieser Kraft liegt auch die Ursache der Geringschätzung. Unsicherheit verweigert die fraglose Reproduktion von Gewissheiten, von fraglos Gegebenem und schafft so Verunsicherung, gegen die das Sicherheitsbedürfnis, das Bedürfnis nach Verbindlichkeiten, wie es sich in der sozial geteilten und verteidigten hegemonialen Wirklichkeit zeigt und erfüllt, aufbegehrt. In der Unsicherheit liegt Gefahr aber sie ist zugleich der Weg zu wahrer Bildung. Unsicherheit fragt, Sicherheit verteidigt.