Dienstag, 25. Februar 2014

Verstehen als ein Missverständnis - Gegenkapitalistische Polemik auf Grundlage des Sprechens

"Du verstehst mich nicht" ist eine Anklage und zugleich das grundlegende Wesen des Sprechens. Es ist zugleich ein (affektbezogener) Gewaltakt hegemonialer Wirklichkeit.
Es gibt kein Verstehen im absoluten Sinne, sondern nur Grade abnehmenden Missverstehens. Unser Sprechen strukturiert unser Sein und ist strukturiert durch dieses, durch kulturelle, soziale und biographische Bestände, aus denen das "Ich" sich und sein Sprechen bildet.
Wir sprechen daher nicht eine Sprache, sondern unendliche viele quasi-individuelle. Das Verstehen als relationales Verstehen hängt damit davon ab, wie kongruent unsere jeweilige Wirklichkeitskonstruktionen sind. Das Verstehen als Forderung setzt eine hegemoniale Wirklichkeit voraus und durch.
Mit anderen Worten, das Verstehen hängt nicht vom Sprechen ab, sondern vom bereits vorher existenten Verstehen, welches anzugleichen versucht wird. Auf diese Weise schafft das Sprechen in seinen Diskursen Konformität.
Dies täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass jede Kommunikation als Kommunikation einer Wirklichkeit in eine andere hinein einer Bedeutungsverschiebung in sich trägt, die jedes System bis zu ein em gewissen Grad gemäß seiner Vorstellungen auszugleichen wünscht.
Gut zu beobachten ist dieses Phänomen im Bereich der Wissenschaftssprache und der Forderung an diese, verständlich sein zu müssen, sich herab zu begeben, sich zu vereinfachen, sich aufzugeben.
Dies setzt voraus, dass zu Begriffen geronnene Vorstellungen/Vorstellungsketten, ganz Diskurse, Singularitäten des Wissens und der Erkenntnis entsponnen werden müssen, mit der damit einhergehenden Reduktion und Verschiebung ihres Inhalts und so kaum mehr als "einfache", "vereinfachende" Grundüinzipien übrig bleiben, die sich der Logik des "leichten Konsums" des Kapitalismus unterwerfen.
Diese Logik wird durch Diskursregeln aufrecht erhalten, wie jenen der Zuschreibung von Arroganz als Bewältigungsmittel "sprachlicher Superiorität".
Der Weg darf jedoch nicht jener der Vereinfachung sein, wo diese sich selbst genügt und nicht das Komplexe vorbereitet. Nicht die Vereinfachung der Erkenntnis, die der Komplexität des Seins widerspricht und die Massen kontrollierbar macht, sondern die Verkomplizierung der Massen ist das Mittel der Heilung. Das Moment der Angleichung des Verstehens soll nicht auf Vereinfachung zielen, sondern auf tieferer Durchdringung dessen, was die Welt im innersten Zusammenhält.
Damit verbunden ist eine Aufwertung des Denkens, der Kontemplation vor dem Handeln und als Handeln, entgegen kapitalistischer Produktionslogik, entgegen reduktionistischem Funktionieren als Systembaustein und entgegen der Logik des schnellen und einfachen Konsums. Das Denken des Alltags muss Raum zur Komplexität bekommen und das Denken der Reflektion darf Vereinfachung nur da zulassen, wo es der Komplexität, der Bildung dient. Statt eines kapitalistischen Verstehensbegriffs soll und muss ein deliberativ-epistokratischer entstehen, nur so ist ein Hauch von Freiheit vor und von uns möglich.

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