Sonntag, 30. März 2014

Das Sprechen

Die folgenden Zeilen sind ein Plädoyer für das scheinbar Unbedachte, für das oberflächlich Chaotische,
gegen das Allgemeine. Inspiriert haben mich dazu letztlich viele Gespräche, wie sie wahrscheinlich viele kennen, sowie eine konkrete Person und ihre Erfahrungen, der ich für diese Inspiration sehr dankbar bin.
Gespräche über das was allgemein als "Kultur" gilt, "Politik", "Zeitgeschehen", ja selbst "Kunst(genuss)",
in denen sich die Allgemeinheit von sich selbst abheben will. Etwas über das Gesprochen werden muss, weil es allgemein ist, alle betreffend aber in denen jeder ausgestoßen wird, der das Sprechen darüber scheinbar nicht beherrscht. Nicht der Diskurs ist der eigentliche Ort dieses Sprechens, sondern das "Geplapper", ein streng reguliertes Sprechen, in welchem sich die sprechende Allgemeinheit von einer nur betroffenen Allgemeinheit abheben will. Das Ganze stellt einen Versuch dar, zugleich anders über das Sprechen zu sprechen, als es allgemein gewohnt scheint. Ob es mir gelungen ist im Sinne wie ich es wollte, kann ich nicht beurteilen. Ich bin kein Poet, kein Lyriker, bewege mich nicht bewusst in deren diskursivem Rahmen, sondern lehne mich allenfalls an, verarbeite nur mir bekanntes Schönes, schaffe also in begrenztem Sinne meinen eigenen Diskurs, der aus allgemein poetischer oder lyrischer Sicht wohl wenig schön genannt werden wird. Es ist eine Übung in anderen Formen des Sprechens, die sich aus mir bekanntem Sprechen speist, mehr nicht. Es bleibt momenthaft, unegenügend, roh. Die Protagonisten dieses Gesprächs über das Sprechen sind ebenfalls nicht mit de Inhalt, der diesen Zeichen allgemein gleichkommt zu verwechseln. Sie sind keine Vollständigkeit, kein allgemeines Urteil, sie sind nur Konnotationen und sollen als solche verstanden werden. Sie sind daher im Text auch nur als Sprechendes verkürzt angegeben.


Gesrpäch über das Sprechen

Teilnehmer:
k: die Kunst
p: die Philosophie
m: die Masse

k: ich hasse!
m: das tust du nicht!
k: nun doch.
m: du magst nicht leiden können, wütend und verärgert sein, doch hassen: nein!
p: was ist denn hass?
m: es ist ein übel, ein gefühl, ein extrem, verachtenswert.
p: woher sag masse, weisst du das?
m: ich bin es, die dir das sagt.
p: und was du sagst, dass ist nur dein, von dir geschaffen und nur für dich allein. so gibst du vor was fühlen ist, bewertest, sprichst und alles sei dir untertan. nicht die natur erschuf dies fühlen, erst du gabst ihm den namen, seinen sinn. doch dieser ist nicht der der kunst, ihr hass nicht dein. letztlich ist alles was du sagst, dass sie nicht in deinem sinne sprechen kann.
k: ach dann zünd ich mal die kerzen an.
m: wie dumm! unpassend! wirr!
p: und wenns so wär, doch welten über dir.
m: erklär!
p: zerstört hat sie dein sprechen, deine regeln, sich geltung gegen dich verschafft.
in deiner welt ist sie das chaos, doch offenbart sie nur die fesseln, macht frei und ist doch eigentlich kein chaos, eine neue ordnung nur, die dir den spiegel zeigt, die vielheit statt die einfalt honoriert.
statt blind zu sprechen, deine welt zu leben, hat sie dir eine andere gegeben. sie zeigt wie eingeschränkt du bist, wie wenig du doch siehst, wie vielen regeln du doch unterliegst.
unüberlegt soll sie wohl sein, doch wer mag unüberlegter sein? der der spricht und blind des sprechens ordnung folgt und nicht sieht, wie daraus nur eine welt von vielen folgt? oder jener, der offenbart, dass das sprechen eine ordnung hat, eine von vielen, der man nicht folgen muss doch kann.
erst im zerstören zeigt sich vielen die struktur, die welten schafft.
ihr zerstören nun hat eine kraft, die deine "freiheit" schwindeln macht, die viel mehr zu offenbaren wagt,
als dein ewig gleiches sprechen, das ALLES andere zerstört.
sie ist nicht dumm, nicht unüberlegt, noch wirr, nicht chaos, sondern kunst, das neue, alte, andere.

Montag, 24. März 2014

Polemik gegen die Wirklichkeit

Selbst so scheinbar harmlose und „selbstverständliche“ Konzepte wie „Professionalität im Job“, verbergen einen aggressiven Imperativ der Form: „Pass dich der hegemonialen Wirklichkeit an! Funktioniere! Erkenne die Ordnung an! Frag nicht, denke nicht! Oder spüre den Zorn!“ Ein Ausscheren, ein Verweigern, ja selbst die Kritik dieser Wirklichkeit, an diesem „Heiligen“ der Gesellschaft unter kapitalistischem Paradigma, wird mit dem Stigma des „Anders-seins“, der „Radikalität“, des Chaos oder einer ganzen Reihe von anderen versehen und ist mit erlernten sozialen Handlungsanweisungen des Strafens versehen, wie der Aberkennung von Status, der sich in „Produktivität“, „Ordnung“, usw. reduktionistisch und ideologisch kanalisiert, ja selbst mit Armut und Ausschluss, um die Ordnung, die Gewissheiten und vermeintlichen Sicherheiten nicht zu gefährden, kurz, mit einer Vielzahl an emotionalen Gewaltakten, die im Erlernen des „richtigen“ Fühlens bereits angelegt sind. Freilich existieren Gegenwirklichkeiten, Alternativen aber diese werde wie selbst der Selbstmord der hegemonialen Wirklichkeit eingegliedert, bestätigen sie statt sie in Frage zu stellen. Sie werden geduldet, da sie die hegemoniale Wirklichkeit nur tangieren, sie berühren aber nie in Frage stellen können. Tun sie dies, so greift die Strafe. Lasst uns dies erkennen und Sie Stück für Stück zerstören, ihr Stück für Stück eine andere entgegensetzen. Lasst uns Lyotards Patchwork der Minderheiten schaffen und lasst uns eine Wirklichkeit bauen, die erträglich für alle sein kann.

Samstag, 15. März 2014

Plädoyer für das Fühlen

Ich bin Emotionsforscher, ich bin privilegiert, ständig erschließen sich mir neue Gefühle, neue alte Gefühle, die längst im Papierkorb der Geschichte gelandet sind. Ich will sie alle erleben, die Täler, die Berge, die Fluten und Donnerwetter, den Sonnenaufgang und -schein, den gleißend hellen Tag und die tiefschwarze Nacht. Gefühle sind das Leben, sie sind das Tor zur Welt, zu allen Welten.
Schluss mit dem Dogma des ewig spezifische "glücklichen", schluss mit der Vermarktung und Instrumentalisierung der Gefühle, schluss mit der kapitalistischen Ausbeutung des Fühlens. Beginnen wir die Reise in die Welt und hören wir auf Gefühle regulieren und sanktionieren zu lassen.
Die Gefühle mögen nicht unsere eigenen Erfindungen sein aber sie sind unsere eigenen Empfindungen. Öffnen wir uns, leben wir sie, leben wir das Leben selbst. Wiederbeleben wir die Melancholie, die Schwermut, die Ehre, die tobende Leidenschaft der Verliebtheit, beleben wir sie alle wieder und leben wir sie. Beleben wir das Leben, erfreuen wir uns an der Vielfalt, zerschlagen, lehren und erweitern wir die Welt in und durch uns. Lernen wir wieder neu fühlen!
Verwerfen wir den emotionalen Kleingeist und wenden wir uns der Welt zu. Vielleicht, nur vielleicht schaffen wir so einen neuen Zugang zur Welt, zum "Guten, Schönen, Wahren", das allein die Welt bewahren kann.
Ich sage nicht: "Denke nicht!", ich sage "Denkt UND fühlt!", denn nur das Denken kann uns von den tief verwurzelten Schranken des Fühlens befreien.
Ich sage: "Beginnt jetzt! Denkt und fühlt den fühlbaren Moment!"
Wenn ihr glücklich seid, so seid es, wenn ihr traurig seid, seid es! Seid es und denkt nicht an die Maschinen um euch herum, kümmert euch nicht um "Stärke" und "Schwäche"! Führt euch selbst in diese Freiheit, denn es wird keinen neuen Propheten geben...





Dienstag, 11. März 2014

Flüchtige Momentaufnahmen, Provokationen und Gedankenspiele III

Was sind Gefühle? Wie können wir sie beschreiben, was können wir von ihnen lernen, was können wir glauben?
Was wir spüren sind körperliche Erregungszustände, die wir anhand der Skala "positiv" und "negativ" einordnen und dann, gemäß des Kontextes und der durch die Gesellschaft bereitgestellten Muster zur Gefühlen formen.
Die Formung wirkt auf das Wahrnehmen zurück und bewertet. Gefühle sind also Muster des Wahrnehmens und Kommunizierens. Und ich höre den Aufschrei, das stumme Aufbegehren gegen solch "konstruktivistisches Hexenwerk", das "entzaubert", uns der Gewissheiten und unserer Wahrheit beraubt, uns einengt, uns nur als geformte Produkte zurücklässt.
Aber der Konstruktivismus ist mehr, er ist der Weg in eine neue Freiheit. Wenn die Erregungszustände und die Konventionen in denen wir sie kanalisieren alles sind, dann können wir uns und die Gesellschaft sich entscheiden. Was soll Hass sein, sollen wir hassen, zürnen, abwerten? Wir haben die Freiheit Gefühle zu bauen. Aus der Enge des Geformten entspringt so die Freiheit des Formens. Nicht eine "Entzauberung" ist das Ergebnis, sondern eine Transformation vom Wunder der "Wahrheit" zum Wunder der "Entscheidung".
Der Konstruktivismus führt uns nicht in ein enges Gefängnis, sondern auf den Berg, auf dem wir, das Tal endlich überschauend, uns neu entwerfen können, in der das Schaffen, das Denken und letztlich auch die Moral ihre Geltung erhalten.

Toleranz ist ein Dogma, ein Idol, ein Götze unserer Zeit und Welt.
Toleranz ist zu etwas "Heiligem" im Durkheimschen Sinne geworden, gemacht worden.
Als solcherart "Heiliges" stellt es einen zentralen Wert dar, auf den hin uns die Gesellschaft einschwört.
Betrachtet man jedoch diesen Wert genauer, so unterscheidet er sich nicht von all den anderen, im Kern leeren, willkürlich füllbaren und gefüllten Wertkonstruktionen, die zur Identitätsbildung und als politische Kampfbegriffe dienen.
Jeder beansprucht ihn als einen Begriff, seinen Wert, den er spezifisch füllt, den er seiner Wirklichkeit, seiner spezifischen uznd exklusiven Wirklichkeit einverleibt. Auch Toleranz ist somit ein mit spezifischen Ausgrenzungsbemühungen ausgestatteter Hohlwert, der unterschiedliche Inhalte aufweisen kann, als etwas "Heiliges" sich aber als unangreifbar setzt, als Zwangsidentität, als Teil des "Guten, Wahren, Schönen".
Dabei birgt auch und gerade dieser sein Gegenteil, das "Häßliche, Falsche, Schlechte" in sich. Toleranz ist auch ein Begriff der Intoleranz.
Das zu Ertragende ist begrenzt und muss es auch, entgegen der unreflektierten Beteuerung seiner Reinheit und Heiligkeit, auch sein. Dies erkennend zeigt sich, dass alle gängigen Toleranzbegriffe keine qualitativen, sondern allenfalls quantitative Unterschiede aufweisen, nur Verschiebungen des als zu ertragen konstruierten.
Ein qualitativer Unterschied kann erst beginnen, wo dies erkannt wird.
Nicht die Worthülse Toleranz als Kampfbegriff zur Hervorhebung der Superiorität der eigenen Wirklichkeit oder zur Denunziation anderer, inferiorer Wirklichkeiten, gilt es zu stärken, sondern offen und bewusst eine Füllung, die eine größtmögliche Erträglichkeit für alle garantiert, eine Wirklichkeit also, die bewusst auswählt und in der der Götze der Toleranz zum Werkzeug wird, zum Mittel und nicht zum inhaltsleeren oder vermeintlichen idealen Heiligen degeneriert.
Statt das Ertragen der eigenen, unreflektierten Wirklichkeitskonstruktion zu fordern, gilt es, die Wirklichkeiten kritisch zu prüfen, jede einzelne. Nicht Toleranz ist das Heilige, sondern eine erträgliche Wirklichkeit zu schaffen.

Die Wahrheit zu töten, heisst nicht, den Menschen ins Chaos zu stürzen. Es heisst, den Menschen hin zu einer größeren Handlungsfreiheit, zu einem freieren Denken zu begleiten. Es heisst, ihn vom sozialen Zwang der vermeintlichen Natürlichkeit allen Seins seiner Welt zu befreien. Das ist die Gabe und das Vermächtnis konstruktivistischer Philosophie und Kunst.

Immer noch ist eine Form aristotelischer Rhetorik vorherrschend, in der Politik, den Medien und selbst der Populärwissenschaft. Es ist eine Rhetorik der "allgemeinen Wahrscheinlichkeit", die das Motto stellt. Nicht das "Wahre, Gute und Schöne" ist ihr Zweck, sondern jenes, welches die Masse für möglich, denkbar, annehmbar hält. In diesem Sinn werden ihre Diskurse durch den Konservatismus der Massen bestimmt. Sie ist schmeichelnd, anbiedernd, gewinnsüchtig und reproduziert lediglich bereits Gegebenes. Sie ist die Krankheit der Demokratie wie wir sie leben. Eine Ablehnung dieser Rhetorik bedeutet jedoch nicht, Erkenntnis und Moral nicht angemessen zu kommunizieren, sie bedeutet, den Zweck hin zu eben jenem "Guten, Wahren, Schönen" zu verschieben, zu einer Rhetorik der Gerechtigkeit und nicht des gewinnsuchenden Schmeichelns, hin zu einer Rhetorik, die sich in ihren Inhalten nicht dem Gusto und unreflektiertem vermeintlichem Willen der Massen prostituiert, kurz, eine Rhetorik didaktischer Epistokratie anstelle statt kapitaldemokratischer Demagogie...

"Mann" und "Frau" existieren, wie alle sozialen Kategorisierungen, nur als eben solche Konstrukte deren Aufgabe es ist, die vorgefundene Welt notwendig zu strukturieren. Sie sind damit willkürlich, dem Sozialen nicht vorgängig, sondern Produkte dessen. Diese Sicht leugnet nicht, dass es innerhalb des Diskurses "Biologie" Unterschiede gibt. Diese Sicht beachtet jedoch, dass die Zuschreibung von sozialen Rollen und Bedeutungen aufgrund dieses Wahrnehmungsfokus, ja selbst die Wahrnehmung derselben, "willkürlich" genannt werden muss. Ebenso denkbar wäre grundsätzlich eine Wahrnehmung und Bedeutungsbelegung aufgrund der Körpergröße anhand von Kategorien wie jenen "über 1,90m groß" und "unter 1,90m groß", bei denen erstere als "superior" und letztere als "inferior" gekennzeichnet wird und an welche sich soziale Rollen anschließen, die ebenso scheinbar auf "Natürlichkeit" verweisen. Beide Varianten, das Geschlecht wie auch die Größe, lassen sich ebenso in einen jeweiligen, sie legitimierenden Diskurs überführen und beide bleiben letztlich konstruiert, entsprungen dem Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit, nach Gewissheit und Handlungsfähigkeit.