Was ist der Unterschied zwischen einem Terroristen und einem
euphemistisch so bezeichneten "Asylgegner"? Letzterer ist zugleich auch
Wähler...Aber nicht nur das, er ist Teil des Nationalitaetskonstrukts
"Deutscher", er darf also, um einen gegenwaertigen Diskussionsstrang
aufzugreifen, auch "nutzlos" sein und trotzdem bleiben. Das einzig Gute
daran ist, dass dies recht unverhohlen den tief verwurzelten
Nationalismus und den ebenso ungebildeten wie festen Glauben an
liebgewonnene Konstrukte der Bevoelkerung deutlich zu zeigen vermag...
Wir leben in einem System normativer, faschistoider Gleichheit als
Gleichförmigkeit in der Masse und als Masse, die das Wesen unserer
Demokratie ist,, in der "Gutmensch" ein Schimpfwort sein muss, in dem
"Helden" nur fern, als Imagination aus anderen Zeiten oder nur in Form
alltäglicher und stets massenkonformer "glücklicher Zufälligkeit"
existieren dürfen, in der Trojas Hektor, Platons König als
Abscheulichkeiten gelten müssen, nach denen wir uns doch heimlich sehnen
um bar jeder Verantwortung sein zu
können. Unser Prinzip ist das argwöhnisch bewachte Mittelmaß der Masse,
die Konvention als Moral und anstatt Ethik und Gerechtigkeit, eine
Massenhysterie gegen jede Form eingebildeter oder tatsächlicher
(moralischer) Überlegenheit wo sie sich nicht auf blosses technisches
Verständnis beschränkt. Denn wo alle gleich sind kann niemand schlecht
sein, wo wir alle Hannah Arendts Eichmann sind und uns in die Funktion
der Mittelmäßigkeit retten, da meinen wir unsere Seelen von Schuld
befreien zu können, eine Schuld auf die jeder "Gutmensch" uns in seinem
Handeln verweist. Der "Gutmensch" ist unser allererster und wichtigster
Sündenbock an dem wir unsere Mittelmäßigkeit strafen und uns zugleich
indem wir ihn bestrafen von der Schuld an ihr zu befreien suchen.
Kritisches Denken ist im Grunde das Abenteuer der Suche nach den
kulturellen Mustern, sozialen Prozessen und biographischen Erlebnissen,
nach den Deutungen und Sinneinheiten, die uns alle beständig
beeinflussen und die wir vielleicht letztlich sind. So gefährlich diese
sein können, so nötig sind diese um überhaupt zu sein. Und so ist dieses
Abenteuer ein immerwährendes Wechselspiel aus Verkrusten und
Aufbrechen. Das eigentlich Bedauerliche ist dabei allerdings nur, dass
diese Suche so selten unternommen wird...
Objektivität ist eine Lüge aber Neutralität ein Verbrechen. Das ist es
was insbesondere Geisteswissenschaftler mit ihren, zumindest
theoretisch, so wichtigen Fähigkeiten endlich begreifen müssen. Unsere
Rolle kann und muss der Sand im Getriebe des unkritischen Funktionierens
sein, unsere Methoden und Reflektionen der Vorschlaghammer der die Welt
mit ihren Routinen, Mythen, Glaubenssätzen in Stücke schlägt um eine
für alle erträglichere Wirklichkeit bauen zu können und unser Mut
das Gegenüber der geschürten Furcht vor dem Ausbruch aus Diskurs und
Rolle die der kapitalistische Wissenschaftsbetrieb uns einimpft um uns
gefügig zu machen und der wir uns so gern unterwerfen um Anerkennung,
Status und purer Existenz willen. Lasst uns stattdessen zum Apotheker
des kritischen Denkens werden, zum kollektiven Morpheus im Widerstand
gegen die "Wahrheiten" der Matrix....
Sein und Sinn...das ist der thematische Rahmen dieses Blogs. Er handelt von verschiedenen Lebenswelten und -wirklichkeiten und der Auseinandersetzung mit diesen, von Philosophie, Geschichte(n) und Geschichtswissenschaft, von Kunst, von Sinn und Sein oder anders ausgedrückt, dem Leben selbst in seinen Spielarten. Es finden sich kurze, flüchtige Momentaufnahmen, wie auch längere Auseinandersetzungen und Auszüge meines (wissenschaftlichen) Schaffens.
Montag, 21. September 2015
Donnerstag, 27. August 2015
Alte Fehler unter neuem Vorzeichen oder längst überfällige Dekonstruktion? - Die Ausstellung "Frauensache - Wie Brandenburg Preußen wurde" unter kulturgeschichtlicher Sicht
Wenn die Stiftung
Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg eine Ausstellung
präsentiert die vorgibt, mit der Konstruktion von Vergangenheit zu
Geschichte(n) der "Großen weißen Männer" und ihrer Kriege, einer seit
langem kritisierten Geschichtsschreibung im Stil des 19. Jahrhunderts,
aufzuräumen und ihr ein "Anderes" entgegenzusetzen, dann scheint dies
eine Sensation, ja ein kleiner Skandal in der auf Homepage, in
Publikationen und Führungen immer noch reproduzierten Welt von
"Friedrich dem Großen", des "Absolutismus" und der "Aufklärung", kurz in
einer Welt geschichtsphilosophischen Anachronismus'.
Allein deswegen, so scheint es, lohnt es sich, sich eingehender mit dieser Ausstellung auseinanderzusetzen und fast wäre man von vornherein geneigt die Bedeutung einer solchen gar nicht hoch genug einschätzen zu können, scheint doch in ihr das Potential auf, auch die SPSG geschichtswissenschaftlich ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Allerdings ist genau deswegen auch Vorsicht geboten, es ist genau hinzuschauen und dabei die Frage zu stellen, ob die Ausstellung einem solchen Anspruch gerecht werden kann. Wie wird mit diesem Anspruch umgegangen, wie wird er umgesetzt? Mit anderen Worten gilt es zu fragen, ob die lange und tief verwurzelte Tradition der "Geschichte der großen weißen Männer und ihrer Kriege und Kunstsammlungen" nicht doch abfärbt, ob die "Frauensache" nur das Altbekannte in neuem Gewand präsentiert, die Vorzeichen oder besser, das Geschlecht wechselt, um alte und liebgewonnene methodische und erkenntnistheoretische Fehler erneut begehen zu können. Ein Bericht über diese Ausstellung wird dies zu berücksichtigen haben.
Damit wären wir eigentlich auch schon beim Thema angelangt, genauer, bei „Geschlecht“ als Kategorie, als Konstrukt, als eine „willkürliche“ Möglichkeit Welt zu strukturieren, zu ordnen und Handlungssicherheit zu generieren. Eine Ausstellung, die die historischen Ausprägungen von „Geschlecht“ thematisiert oder sich zumindest eine dezidiert geschlechterhistorische Perspektive auf die Fahne zu schreiben scheint, sollte genau mit diesem Thema, der Konstruktion von „Geschlecht“, von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“, den Rollenerwartungen und -modellen bewusst umgehen. Nicht zuletzt auch deswegen, um eine allzu leichte anachronistische Identifikation aufgrund der Kategorie „Geschlecht“ zu vermeiden, denn abseits der im Alltag für die Generierung von „Sicherheit“ und „Ordnung“ scheinbar so nötigen Naturalisierung von „Geschlecht“ und der Kopplung von Handlungsanweisungen an „Penisse“ und „Vaginas“ und deren zugeordnete Merkmale, ist „Frau“ eben nicht gleich „Frau“, weder durch soziale Schichtungen hindurch, noch historisch betrachtet. Eine „Frau“ heute ist eben etwas gänzlich anderes als eine „Frau“ des 17. oder 18. Jahrhunderts, auch wenn es freilich Überschneidungen in den Rollenerwartungen und Begründungen geben kann. Eine solche Ausstellung sollte sensibel mit dem Thema der Geschlechterkonstruktion umgehen, es überhaupt thematisieren, nicht zuletzt, um einem Bildungsanspruch gerecht zu werden, der darin bestehen muss, die Konstruiertheit solcher Kategorien aufzuzeigen. Damit wären wir jedoch beim ersten Punkt angelangt, der bereits seinen dunklen oder besser pinken Schatten auf die Ausstellung wirft: das Logo und die Werbung. Noch bevor auf die Ausstellung selbst eingegangen werden kann, steht die Werbung als die Verheißung dessen was einen dort erwartet und diese lässt nichts Gutes ahnen. Das Logo besteht aus einer stilisierten „weiblichen“ Hand, die eine Schachfigur gekonnt doch „zärtlich“ in einem „Traum“ aus „Pink“ zu setzen beginnt. Eine solche Darstellung muss sich freilich mit dem Vorwurf der Reproduktion geschlechtersterotyper, wenn nicht sexistischer Kritik auseinandersetzen, die hier jedoch nicht eigens abgehandelt werden muss. Wichtig ist deren Kern, nämlich der Vorwurf der Reproduktion von geschlechterstereotypen Wahrnehmungen und einer spezifischen Konstruktion des „Weiblichen“, die zudem die bereits angesprochene anachronistische Gefahr bedeutet, sich selbst oder die „moderne Frau“ in die „Frau“ vergangener Epochen zu übertragen. Allerdings, so könnte man einwenden, kann auch Werbung bewusst mit solchen Stereotypen spielen, den Zuschauer abholen, um ihn dann mit seinen Vorannahmen kritisch zu konfrontieren. Ob und inwieweit dies hier funktioniert, gilt es in der Betrachtung der Ausstellung zu entscheiden.
Diese ist nun in mehrere thematische, örtlich getrennte Abschnitte unterteilt. Der erste Raum besteht in einem ereignishaften Überblick über eine Geschichte der Hohenzollern und Brandenburg-Preußens. Anhand markanter Meilensteine, die durch jeweils ein Ausstellungsobjekt begleitet sind, sollen die „wichtigsten“ (dass eine solche „Wichtigkeit“ ein nachträgliches Konstrukt ist bleibt leider unthematisiert) Wegpunkte dieser historischen Erzählung präsentiert werden. Die Objekte sind dabei durchaus vielseitig. Sie bestehen z.B. in der Lehnsurkunde, Schädelfragmenten aus dem „30-jährigen Krieg“ oder einigen Koffern, mit denen das Königshaus nach dem „I. Weltkrieg“ sein Hab und Gut ins Exil transportieren ließ.
Das eigentlich Bemerkenswerte sind aber nicht die Objekte an sich, sondern der Versuch mit einer teleologisch orientierten Geschichtsschreibung der Hohenzollern und Brandenburg-Preußens zu brechen, ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Ansatz, der jedoch, anders als dies seitens der Stiftung vermutet werden könnte, nicht neu ist. Und dies ist, trotz dem wirklich positiven Ansatzes, eines weiterer Kritikpunkt, der immer wieder durchscheinende und teils kommunizierte Glaube an die Neuartigkeit eines solches Bruchs mit einer teleologischen Geschichtsschreibung oder der Geschichtskonstruktion anhand der „Großen weißen Männer“. An diesem Punkt beginnt man sich zu fragen, ob und wenn ja welcher Art von „Historikern“ die SPSG beschäftigt. Bereits im frühen 20. Jahrhundert gab es seitens der s.g. Annales-Historiker derartige Ansätze und Kritik an des bisherigen. In den 60er und 70er Jahren wurde diese Kritik seitens der s.g. Sozialgeschichte fortgesetzt und wird schließlich seit den 90ern auch von der aus der Kritik an der Sozialgeschichte hervorgegangenen s.g. Neuen Kulturgeschichte getragen. Dass eine solche Abkehr von derartigen Geschichtsmodellen „neu“ erscheint, zeigt vielmehr den methodischen und erkenntnistheoretischen „Konservatismus“, um nicht Rückständigkeit sagen zu müssen, der Welt der SPSG, die, wie bereits erwähnt, immer noch vom Glauben an Konstrukte wie „Absolutismus“ oder „Aufklärung“ gekennzeichnet ist. Trotz allem macht die Ausstellung, wenn auch spät (in dieser Verspätung steht sie allerdings leider auch nicht allein da), einiges an diesem Punkt richtig. Die Entstehung Brandenburg-Preußens wird nicht mehr als zielgerichtete Erfolgsgeschichte erzählt, sondern auch in ihren Brüchen, Unsicherheiten und Scheidewegen hin zu Alternativen und dies ist wert und wichtig erzählt zu werden. Problematisch bleibt dabei allerdings auch die Verwendung von Karten, die immer noch als Repräsentanten gelesen werden statt als Konstrukteure, als Abbildungen einer scheinbaren (realen) Wirklichkeit statt als Erschaffer einer solchen aus ebenfalls letztlich alltagsmoderner Perspektive von „Raum“ und „Grenze“ als quasi „absolut“ Auch verbleibt, trotz aller Kritik an der Teleologie die Erzählung der Ausstellung bestimmten Ereignissen und Personen verhaftet und damit letztlich einem nachträglichen und durch ereignishafte Erzählungen geprägtem Geschichtsverständnis, das zur sehr die Perspektive jener „Großen“ und nachträglich als entwicklungsgeschichtlich bedeutenden Ereignisse einnimmt, es versäumt nach den Zeitgenossen jenseits des Hofes und deren Perspektive zu fragen. Eine Teleologie kann so nur ansatzweise aufgebrochen werden.
Ein weiterer Raum beschäftigt sich nun mit den Netzwerken, zu deren zentralen Punkten die „Frauen“ gemacht werden, oder anders, mit der Heiratspolitik als Herrschaftspraxis. Einzelne Linien und netzwerkartige Verbindungen werden vorgestellt und durch Geschenke im Rahmen dieser Verbindungen präsentiert. Viel Gold, viel Glitzer und der Versuch den „Frauen“ eine politische Bedeutung als letztlich Verhandlungsgut, Unterpfand und Symbol einer politischen Verbindung zuzuerkennen. Der letzte Raum der hier zur Sprache kommen soll, beschreibt hingegen die Rollen von „Herrscherfrauen“ (denn freilich bleibt man auch hier auf der Ebene der „Großen“). Bemerkenswert ist hier zumindest in Ansätzen der Versuch nicht nur die einzelnen normativen Rollenmodelle wie „Ehefrau“, „Mutter“, „Witwe“ und „Regentin“ zu erzählen, sondern auch „Devianzen“, aufzuzeigen, Brüche und alternative Modelle und Möglichkeiten mit den Erwartungen zu spielen, sie zu umgehen, genauso wie eben jene auch zu erfüllen. Dabei wird auch das Spannungsfeld zwischen „heimatlichen“ Identitäten und familiären Loyalitäten aufgemacht und aufgezeigt. Auf diese Weise sollen „Spielräume“ aufgezeigt werden, die sich zwischen „konformem“ als auch „deviantem“ Verhalten bewegen aufgezeigt werden und z.B. der Komplexität nicht gerecht werdende Zuschreibungen bspw. von „Opferrollen“ der „Frauen“ vermieden werden. Begleitet werden auch diese einzelnen Rollenmodelle und Spielräume durch teils sehr spannende Ausstellungsstücke. Allerdings bleibt die Ausstellung auch hier an der Oberfläche. So werden die einzelnen Rollen nicht weiter ausgeführt oder historisiert. Anstatt zu fragen, inwieweit beispielsweise die Rolle „Mutter“ grundsätzlich sozialgruppenspezifisch aber vor allem auch historisch Wandlungen unterliegt, inwieweit sich also diese Rolle des 16. Jahrhunderts von der im 19. Jahrhundert und vor allem von derjenigen des modernen Betrachters unterscheidet, begnügt man sich auch hier mit gefährlichen Oberflächlichkeiten, die dazu führen anachronistische Vorstellungen in die Vergangenheit zu transportieren.
Was gilt es abschließend zu sagen? Die Ausstellung geht einen aber leider auch nur einen(!) Schritt des Weges in die „richtige“ Richtung, indem sie längst veraltete und methodisch und erkenntnistheoretisch nicht mehr haltbare historische Erzählungen aufbrechen will. Sie zeigt mit teils spannenden Ausstellungsstücken Spielräume und Rollenmodelle von „Herrscherfrauen“ im regionalen Rahmen Brandenburg-Preußens und versucht dessen Vergangenheit nicht nur als eine Geschichte der „Großen weißen Männer und ihrer Kriege“ zu erzählen, sondern auch als eine Geschichte der „Großen weißen Frauen“ und genau darin liegt das Problem. Bei aller Tendenz zu einem Aufbruch verbleibt die Ausstellung allzu oft den alten Konstrukten verhaftet. So bleibt der Blick den „Herrscherfrauen“, einer Perspektive „von oben“ verhaftet, ebenso wie einer gewissen Teleologie ereignishaften Erzählens, das zwar nicht mehr eine einzige Erfolgsgeschichte sein will, jedoch immer noch Ereignisse im Hinblick auf ein Ziel hin wertet. Ebenso verbleibt die Sprache diesen alten Erzählungen verhaftet, so wird die Geschichte der „Großen weißen Männer“ last but not least durch die weiterhin unreflektierter Verwendung von Beinamen wie Friedrich „der Große“ reproduziert, die den „Herrschern“, ob sie nun eine Vagina oder einen Penis haben zu denjenigen macht, die Vergangenheit aus sich selbst heraus zu bestimmen vermögen. Dazu gesellten sich in der Führung anachronistische und unzureichend bis gar nicht historisierte Begriffe und Konstrukte, die den Blick auf die Wirklichkeiten der Zeitgenossen verstellen, wie „Militär“ oder „Mutter“. Hinzu kommt und dies ist noch problematischer, dass es die Ausstellung unterlässt, die generelle Konstruktion von „Geschlecht“ zu thematisieren, geschweige denn zu hinterfragen, stattdessen nimmt sie „Mann“ und „Frau“ als Gegebenes und nicht als historisch Gewachsenes und „willkürlich“ Konstruiertes an. Gerade eine solche Thematisierung stellt den wichtigsten Beitrag einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive zum Ziele von Bildung (dessen einzig sinnvoller Kern kritisches Denken sein kann) dar. Ein Bildungsauftrag wird damit also kaum erfüllt und man kann behaupten, die Ausstellung steht einem solchen in vielen Teilen sogar entgegen.
Die einleitende Frage lässt sich also nicht ganz eindeutig beantworte: Ja, die Ausstellung beginnt einen längst überfälligen Prozess aber ebenso ist zu bejahen, dass sie dabei alte Fehler unter neuen Vorzeichen begeht. Inwieweit sie also zu unterstützen ist, hängt dann letztlich von der persönlichen Perspektive ab, von der Bewertung des Einen oder des Anderen als ausschlaggebend. Den Ausstellungsstücke selbst ist die Präsentation jedoch nicht anzulasten, sie zu betrachten lohnt immer, im Zweifel mit einem guten Buch zur Konstruiertheit von „Geschlecht“ oder von Vergangenheit zu Geschichte(n)…
Allein deswegen, so scheint es, lohnt es sich, sich eingehender mit dieser Ausstellung auseinanderzusetzen und fast wäre man von vornherein geneigt die Bedeutung einer solchen gar nicht hoch genug einschätzen zu können, scheint doch in ihr das Potential auf, auch die SPSG geschichtswissenschaftlich ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Allerdings ist genau deswegen auch Vorsicht geboten, es ist genau hinzuschauen und dabei die Frage zu stellen, ob die Ausstellung einem solchen Anspruch gerecht werden kann. Wie wird mit diesem Anspruch umgegangen, wie wird er umgesetzt? Mit anderen Worten gilt es zu fragen, ob die lange und tief verwurzelte Tradition der "Geschichte der großen weißen Männer und ihrer Kriege und Kunstsammlungen" nicht doch abfärbt, ob die "Frauensache" nur das Altbekannte in neuem Gewand präsentiert, die Vorzeichen oder besser, das Geschlecht wechselt, um alte und liebgewonnene methodische und erkenntnistheoretische Fehler erneut begehen zu können. Ein Bericht über diese Ausstellung wird dies zu berücksichtigen haben.
Damit wären wir eigentlich auch schon beim Thema angelangt, genauer, bei „Geschlecht“ als Kategorie, als Konstrukt, als eine „willkürliche“ Möglichkeit Welt zu strukturieren, zu ordnen und Handlungssicherheit zu generieren. Eine Ausstellung, die die historischen Ausprägungen von „Geschlecht“ thematisiert oder sich zumindest eine dezidiert geschlechterhistorische Perspektive auf die Fahne zu schreiben scheint, sollte genau mit diesem Thema, der Konstruktion von „Geschlecht“, von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“, den Rollenerwartungen und -modellen bewusst umgehen. Nicht zuletzt auch deswegen, um eine allzu leichte anachronistische Identifikation aufgrund der Kategorie „Geschlecht“ zu vermeiden, denn abseits der im Alltag für die Generierung von „Sicherheit“ und „Ordnung“ scheinbar so nötigen Naturalisierung von „Geschlecht“ und der Kopplung von Handlungsanweisungen an „Penisse“ und „Vaginas“ und deren zugeordnete Merkmale, ist „Frau“ eben nicht gleich „Frau“, weder durch soziale Schichtungen hindurch, noch historisch betrachtet. Eine „Frau“ heute ist eben etwas gänzlich anderes als eine „Frau“ des 17. oder 18. Jahrhunderts, auch wenn es freilich Überschneidungen in den Rollenerwartungen und Begründungen geben kann. Eine solche Ausstellung sollte sensibel mit dem Thema der Geschlechterkonstruktion umgehen, es überhaupt thematisieren, nicht zuletzt, um einem Bildungsanspruch gerecht zu werden, der darin bestehen muss, die Konstruiertheit solcher Kategorien aufzuzeigen. Damit wären wir jedoch beim ersten Punkt angelangt, der bereits seinen dunklen oder besser pinken Schatten auf die Ausstellung wirft: das Logo und die Werbung. Noch bevor auf die Ausstellung selbst eingegangen werden kann, steht die Werbung als die Verheißung dessen was einen dort erwartet und diese lässt nichts Gutes ahnen. Das Logo besteht aus einer stilisierten „weiblichen“ Hand, die eine Schachfigur gekonnt doch „zärtlich“ in einem „Traum“ aus „Pink“ zu setzen beginnt. Eine solche Darstellung muss sich freilich mit dem Vorwurf der Reproduktion geschlechtersterotyper, wenn nicht sexistischer Kritik auseinandersetzen, die hier jedoch nicht eigens abgehandelt werden muss. Wichtig ist deren Kern, nämlich der Vorwurf der Reproduktion von geschlechterstereotypen Wahrnehmungen und einer spezifischen Konstruktion des „Weiblichen“, die zudem die bereits angesprochene anachronistische Gefahr bedeutet, sich selbst oder die „moderne Frau“ in die „Frau“ vergangener Epochen zu übertragen. Allerdings, so könnte man einwenden, kann auch Werbung bewusst mit solchen Stereotypen spielen, den Zuschauer abholen, um ihn dann mit seinen Vorannahmen kritisch zu konfrontieren. Ob und inwieweit dies hier funktioniert, gilt es in der Betrachtung der Ausstellung zu entscheiden.
Diese ist nun in mehrere thematische, örtlich getrennte Abschnitte unterteilt. Der erste Raum besteht in einem ereignishaften Überblick über eine Geschichte der Hohenzollern und Brandenburg-Preußens. Anhand markanter Meilensteine, die durch jeweils ein Ausstellungsobjekt begleitet sind, sollen die „wichtigsten“ (dass eine solche „Wichtigkeit“ ein nachträgliches Konstrukt ist bleibt leider unthematisiert) Wegpunkte dieser historischen Erzählung präsentiert werden. Die Objekte sind dabei durchaus vielseitig. Sie bestehen z.B. in der Lehnsurkunde, Schädelfragmenten aus dem „30-jährigen Krieg“ oder einigen Koffern, mit denen das Königshaus nach dem „I. Weltkrieg“ sein Hab und Gut ins Exil transportieren ließ.
Das eigentlich Bemerkenswerte sind aber nicht die Objekte an sich, sondern der Versuch mit einer teleologisch orientierten Geschichtsschreibung der Hohenzollern und Brandenburg-Preußens zu brechen, ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Ansatz, der jedoch, anders als dies seitens der Stiftung vermutet werden könnte, nicht neu ist. Und dies ist, trotz dem wirklich positiven Ansatzes, eines weiterer Kritikpunkt, der immer wieder durchscheinende und teils kommunizierte Glaube an die Neuartigkeit eines solches Bruchs mit einer teleologischen Geschichtsschreibung oder der Geschichtskonstruktion anhand der „Großen weißen Männer“. An diesem Punkt beginnt man sich zu fragen, ob und wenn ja welcher Art von „Historikern“ die SPSG beschäftigt. Bereits im frühen 20. Jahrhundert gab es seitens der s.g. Annales-Historiker derartige Ansätze und Kritik an des bisherigen. In den 60er und 70er Jahren wurde diese Kritik seitens der s.g. Sozialgeschichte fortgesetzt und wird schließlich seit den 90ern auch von der aus der Kritik an der Sozialgeschichte hervorgegangenen s.g. Neuen Kulturgeschichte getragen. Dass eine solche Abkehr von derartigen Geschichtsmodellen „neu“ erscheint, zeigt vielmehr den methodischen und erkenntnistheoretischen „Konservatismus“, um nicht Rückständigkeit sagen zu müssen, der Welt der SPSG, die, wie bereits erwähnt, immer noch vom Glauben an Konstrukte wie „Absolutismus“ oder „Aufklärung“ gekennzeichnet ist. Trotz allem macht die Ausstellung, wenn auch spät (in dieser Verspätung steht sie allerdings leider auch nicht allein da), einiges an diesem Punkt richtig. Die Entstehung Brandenburg-Preußens wird nicht mehr als zielgerichtete Erfolgsgeschichte erzählt, sondern auch in ihren Brüchen, Unsicherheiten und Scheidewegen hin zu Alternativen und dies ist wert und wichtig erzählt zu werden. Problematisch bleibt dabei allerdings auch die Verwendung von Karten, die immer noch als Repräsentanten gelesen werden statt als Konstrukteure, als Abbildungen einer scheinbaren (realen) Wirklichkeit statt als Erschaffer einer solchen aus ebenfalls letztlich alltagsmoderner Perspektive von „Raum“ und „Grenze“ als quasi „absolut“ Auch verbleibt, trotz aller Kritik an der Teleologie die Erzählung der Ausstellung bestimmten Ereignissen und Personen verhaftet und damit letztlich einem nachträglichen und durch ereignishafte Erzählungen geprägtem Geschichtsverständnis, das zur sehr die Perspektive jener „Großen“ und nachträglich als entwicklungsgeschichtlich bedeutenden Ereignisse einnimmt, es versäumt nach den Zeitgenossen jenseits des Hofes und deren Perspektive zu fragen. Eine Teleologie kann so nur ansatzweise aufgebrochen werden.
Ein weiterer Raum beschäftigt sich nun mit den Netzwerken, zu deren zentralen Punkten die „Frauen“ gemacht werden, oder anders, mit der Heiratspolitik als Herrschaftspraxis. Einzelne Linien und netzwerkartige Verbindungen werden vorgestellt und durch Geschenke im Rahmen dieser Verbindungen präsentiert. Viel Gold, viel Glitzer und der Versuch den „Frauen“ eine politische Bedeutung als letztlich Verhandlungsgut, Unterpfand und Symbol einer politischen Verbindung zuzuerkennen. Der letzte Raum der hier zur Sprache kommen soll, beschreibt hingegen die Rollen von „Herrscherfrauen“ (denn freilich bleibt man auch hier auf der Ebene der „Großen“). Bemerkenswert ist hier zumindest in Ansätzen der Versuch nicht nur die einzelnen normativen Rollenmodelle wie „Ehefrau“, „Mutter“, „Witwe“ und „Regentin“ zu erzählen, sondern auch „Devianzen“, aufzuzeigen, Brüche und alternative Modelle und Möglichkeiten mit den Erwartungen zu spielen, sie zu umgehen, genauso wie eben jene auch zu erfüllen. Dabei wird auch das Spannungsfeld zwischen „heimatlichen“ Identitäten und familiären Loyalitäten aufgemacht und aufgezeigt. Auf diese Weise sollen „Spielräume“ aufgezeigt werden, die sich zwischen „konformem“ als auch „deviantem“ Verhalten bewegen aufgezeigt werden und z.B. der Komplexität nicht gerecht werdende Zuschreibungen bspw. von „Opferrollen“ der „Frauen“ vermieden werden. Begleitet werden auch diese einzelnen Rollenmodelle und Spielräume durch teils sehr spannende Ausstellungsstücke. Allerdings bleibt die Ausstellung auch hier an der Oberfläche. So werden die einzelnen Rollen nicht weiter ausgeführt oder historisiert. Anstatt zu fragen, inwieweit beispielsweise die Rolle „Mutter“ grundsätzlich sozialgruppenspezifisch aber vor allem auch historisch Wandlungen unterliegt, inwieweit sich also diese Rolle des 16. Jahrhunderts von der im 19. Jahrhundert und vor allem von derjenigen des modernen Betrachters unterscheidet, begnügt man sich auch hier mit gefährlichen Oberflächlichkeiten, die dazu führen anachronistische Vorstellungen in die Vergangenheit zu transportieren.
Was gilt es abschließend zu sagen? Die Ausstellung geht einen aber leider auch nur einen(!) Schritt des Weges in die „richtige“ Richtung, indem sie längst veraltete und methodisch und erkenntnistheoretisch nicht mehr haltbare historische Erzählungen aufbrechen will. Sie zeigt mit teils spannenden Ausstellungsstücken Spielräume und Rollenmodelle von „Herrscherfrauen“ im regionalen Rahmen Brandenburg-Preußens und versucht dessen Vergangenheit nicht nur als eine Geschichte der „Großen weißen Männer und ihrer Kriege“ zu erzählen, sondern auch als eine Geschichte der „Großen weißen Frauen“ und genau darin liegt das Problem. Bei aller Tendenz zu einem Aufbruch verbleibt die Ausstellung allzu oft den alten Konstrukten verhaftet. So bleibt der Blick den „Herrscherfrauen“, einer Perspektive „von oben“ verhaftet, ebenso wie einer gewissen Teleologie ereignishaften Erzählens, das zwar nicht mehr eine einzige Erfolgsgeschichte sein will, jedoch immer noch Ereignisse im Hinblick auf ein Ziel hin wertet. Ebenso verbleibt die Sprache diesen alten Erzählungen verhaftet, so wird die Geschichte der „Großen weißen Männer“ last but not least durch die weiterhin unreflektierter Verwendung von Beinamen wie Friedrich „der Große“ reproduziert, die den „Herrschern“, ob sie nun eine Vagina oder einen Penis haben zu denjenigen macht, die Vergangenheit aus sich selbst heraus zu bestimmen vermögen. Dazu gesellten sich in der Führung anachronistische und unzureichend bis gar nicht historisierte Begriffe und Konstrukte, die den Blick auf die Wirklichkeiten der Zeitgenossen verstellen, wie „Militär“ oder „Mutter“. Hinzu kommt und dies ist noch problematischer, dass es die Ausstellung unterlässt, die generelle Konstruktion von „Geschlecht“ zu thematisieren, geschweige denn zu hinterfragen, stattdessen nimmt sie „Mann“ und „Frau“ als Gegebenes und nicht als historisch Gewachsenes und „willkürlich“ Konstruiertes an. Gerade eine solche Thematisierung stellt den wichtigsten Beitrag einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive zum Ziele von Bildung (dessen einzig sinnvoller Kern kritisches Denken sein kann) dar. Ein Bildungsauftrag wird damit also kaum erfüllt und man kann behaupten, die Ausstellung steht einem solchen in vielen Teilen sogar entgegen.
Die einleitende Frage lässt sich also nicht ganz eindeutig beantworte: Ja, die Ausstellung beginnt einen längst überfälligen Prozess aber ebenso ist zu bejahen, dass sie dabei alte Fehler unter neuen Vorzeichen begeht. Inwieweit sie also zu unterstützen ist, hängt dann letztlich von der persönlichen Perspektive ab, von der Bewertung des Einen oder des Anderen als ausschlaggebend. Den Ausstellungsstücke selbst ist die Präsentation jedoch nicht anzulasten, sie zu betrachten lohnt immer, im Zweifel mit einem guten Buch zur Konstruiertheit von „Geschlecht“ oder von Vergangenheit zu Geschichte(n)…
Dienstag, 4. August 2015
Das anachronistische Gefühl und „Der gefühlte Krieg“ – Rezension zur Ausstellung im Museum Europäischer Kulturen
Das anachronistische Gefühl und „Der
gefühlte Krieg“ – Rezension zur Ausstellung im Museum
Europäischer Kulturen
Es ist ein zweischneidiges Schwert,
dieser Bericht über die Ausstellung „Der gefühlte Krieg“, denn,
so einfach die Bewertung in der Überschrift aufscheint, ist es eben
doch nicht. Nicht, weil die Ausstellung dann vielleicht doch vieles
„richtig“ macht, sondern vielmehr weil bei aller Kritik etwas auf
dem Spiel zu stehen scheint, das sehr wichtig in der
Museumslandschaft ist: der Mut Neues zu wagen. Genau das ist es auch,
was diese Ausstellung in gewisser Hinsicht auszeichnet, im Positiven,
wie im Negativen.
In den letzten Jahrzehnten hat sich in
der Geschichtswissenschaft viel getan, zumindest theoretisch oder
besser, zumindest theoretisch in der Theorie. Alte
Geschichtsphilosophien, die aus den Vergangenheiten als Geschehenem
die Geschichten „Großer Weißer Männer (und ihrer Kriege um auf
das Thema zu verweisen)“ machten, wurden abgelöst von Geschichten
der Strukturen und schließlich von den Geschichten des Sinns und der
Wechselwirkungen von sinn(re)produzierenden Akteuren und
sinndeterminierenden Strukturen. Damit wandelte sich der Blick auf
das, was als „wirkmächtig“ und „geschichtsträchtig“
erachtet wurde und löste eine ganze Reihe an Perspektivwechseln
(genannt „turns“) aus, die der Komplexität menschlichen Handelns
und menschlicher Vergangenheit Rechnung tragen sollten. Dabei wurden
zugleich „liebgewonnene“ und als allgemeingültig erachtete
„Gewissheiten“ hinterfragt, dekonstruiert, zerstört und damit
zugleich der Weg bereitet für „neue“ Geschichten. Zu diesen
vermeintlichen Gewissheiten gehört auch der Glaube an Gefühle als
unveränderbar, als letztlich ahistorisch, als immer gleich. Die
Geschichte, die dies hinterfragt, ist die Emotionsgeschichte, die
zugleich Pate für diese Ausstellung gestanden haben dürfte. Dass
sich ein Museum mit einer Ausstellung diesen „neuen“ und in
vielen Teilen kritischeren Geschichten zuwendet, die zudem aufgrund
ihres konstruktivistischen Untertons zugleich mehr bieten als bloße
Wissensbestände, sondern das Potential haben zu kritischem als welt-
und selbstreflexivem Denken anzuregen, indem eben gerade Gewissheiten
hinterfragt und das Gegebene als Gewordenes erkannt werden kann, ist
leider immer noch nicht selbstverständlich, sondern ein mutiger
Schritt. Ein mutiger Schitt leider immer noch entgegen nicht zu
unterschätzender Widerstände seitens sich hartnäckig am Leben
erhaltender älterer geschichtswissenschaftlicher Strömungen und vor
allem auch entgegen der Art und Weise von historischen Erzählungen
wie sie im geschichtskundlichen Schulunterricht und in weiten Teilen
populärer Geschichtskultur bestimmend bleiben. Dieser Mut gehört
gewürdigt, zumal diese Ausstellung in zweierlei Hinsicht etwas
„richtig“ macht. Erstens, sie greift ein höchst aktuelles Thema
auf, die Emotionsgeschichte, die, das muss man zugeben, freilich
qualitativ sehr unterschiedlich betrieben wird, nicht zuletzt weil
jeder gern auf „neue“ Züge aufspringt, immerhin geht es um
Förder- und Forschungsgelder. Zweitens, die Ausstellung kehrt auch
dem Krieg der „Großen Weißen Männer“ den Rücken und sucht
„Geschichte von unten“ zu betrachten, nicht normative Vorgaben
und formulierte Ideale einer „Elite“ sind geschichtsmächtig,
sondern der einzelne Akteur auch jenseits dieser „Eliten“ in
seinem alltäglichen Handeln. Insbesondere dieser kommt im wahrsten
Sinne „zu Wort“, ihm wird eine „Authentizität“ zugesprochen,
die über jene der „Großen“ hinaus geht und genau hier liegt
eines der großen Probleme der Ausstellung, auf das noch eingegangen
werden muss.
Das Hauptproblem jedoch besteht darin,
die Grundkategorie der eigenen Geschichte die man in der Ausstellung
konstruiert letztlich durch einen unzureichend reflektierten und
thematisierten Anachronismus scheitern zu lassen und damit die Chance
auf eine „wirkliche“ Geschichte von Gefühlen und Krieg zu
vereiteln, die in mehr bestehen kann als einer Geschichte der Gefühle
des Krieges des Besuchers, die sich selbst verschleiert. Aber der
Reihe nach.
„Kein Krieg ohne gesteigerte
Emotionen“ lautet das Postulat am Beginn der Ausstellung, das diese
zugleich legitimiert. Es gehe um die Rolle von Gefühlen im Krieg.
Dieser emotionsgeschichtliche Blick soll dabei anregen, Krieg neu zu
denken, neu über ihn zu reflektieren. Unterstützt wird dieses
Vorhaben durch künstlerischer Installationen und Arbeiten, die das
emotionale (Er)Leben im und zum Ersten Weltkrieg spiegeln und
fassbarer machen soll. Ein solches Vorhaben scheint vielversprechend,
eine Geschichte des Krieges durch die „Brille“ der Gefühle der
Teilhabenden, in der zugleich eine Geschichte des Fühlens überhaupt
erscheint, ja erscheinen muss! Aber genau dies ist der elementare
Fehler der Ausstellung. Es ist eben keine Geschichte des Fühlens,
die letztlich die Voraussetzung sein muss, um das Fühlen im Ersten
Weltkrieg erfassbar zu machen, es ist eine Geschichte des Fühlens
der Besucher, des Anachronismus des Fühlens.
Fühlen hat eine Geschichte, Gefühle
haben eine Geschichte, Krieg hat eine Geschichte. Auf all dies wird
jedoch nicht eingegangen. Was bedeutet eigentlich „Angst“ für
den „einfachen Soldaten“ um 1916, was für seine daheimgebliebene
Frau? Was bedeutet „Vaterlandsliebe“, wie wurde diese gelebt
abseits der in Ausstellungsstücken präsentierten Propaganda? All
dies sind Fragen, den sich praktisch nicht gestellt wird, die aber
zentraler Kern eines „Gefühlten Krieges“ sein müssen. Begriffe
wie „Angst“ und „Vaterlandsliebe“, sowie generell
Emotionsbegrifflichkeiten unterliegen einem historischen Wandel:
„Angst“ ist eben nicht gleich „Angst“. Gleiche Vokabeln
verschleiern dies und gerade deshalb wäre es nötig gewesen, als
allererstes das Thema „Gefühl“ überhaupt in seiner Historizität
zu thematisieren. Stattdessen erscheinen in allen präsentierten
Quellen die Gefühle oder besser das Verständnis der jeweiligen
konkreten Gefühle, der Besucher auf. Die „Angst“ im „Krieg“,
die „Liebe zum Vaterland“, die „Ehre“ und „Sehnsucht“
sind die Gefühle der Besucher, nicht diejenigen der durch die
Quellen Sprechenden. Daran ändern auch einzelnen Ausstellungsteile
nicht, die zeitgenössische Angstbewältigungsmechanismen
präsentieren, diese können so nur als „skuril“ erscheinen, denn
die Gefühle zu denen diese Praktiken gehören sind eben andere.
Unterstützt wird dieser Anachronismus dabei noch durch die
Bearbeitung durch zeitgenössische Künstler, die eben nicht das
historische Gefühl verarbeiten, sondern ihre eigene Interpretation
einer „Angst“ in ihrer Interpretation von „Krieg“, die zwar
durchaus auf einer geschichtswissenschaftlichen Erzählung von
„Krieg“ fußen kann (der übrigens in seiner Historizität auch
dringend thematisiert werden müsste, ebenso wie der Zusammenhang
„gesteigerter“ Emotionen und „Krieg“) aber auf diese Weise
das Thema nur noch mehr verwirrt, denn es sind nun nicht mehr die
„modernen“ Gefühle zur modernen Vorstellung von „Krieg“,
sondern „moderne“ Gefühle zu einer historischen Erzählung von
„Krieg“.
Die durchgehend sehr sparsame
Beschriftung und Erklärung der Exponate trägt freilich ihr Übriges
zu einer „modernen“ alltagsweltlichen Interpretation des Fühlens
im Ersten Weltkrieg bei. Dies ist umso drastischer, als dass auch den
Schreibenden Akteuren bspw. der Briefe und Postkarten von der „Front“
eine große Authentizität zugestanden wird, allein bereits dadurch,
dass ihr Schreiben als Teil eines Diskurses von „Frontbriefen“
nicht thematisiert wird. Mit anderen Worten wäre allererst zu
fragen, welchen Diskursen sie folgen wenn sie schreiben, welche
Regeln existieren, welche Begründungen für spezifische Stile. Nicht
zuletzt wäre ein wichtiges Thema die Frage danach, inwiefern das
Schreiben oder generell Ausdrücken eine Gefühls dieses Gefühl ist,
dem Erleben folgt, es erst hervorruft oder gar ohne es auskommt. Das
Schreiben vom „eigenen“ Fühlen ist wie das Fühlen selbst
historisch, sozial, kulturell und biographisch bedingt, es steht im
Austausch mit einem „tatsächlichen“ Fühlen ohne es zu sein und
es erfüllt Funktionen, hat Bedeutungen auch im Krieg aber auch diese
trägt es eben nicht „offen“ zu Schau, sondern muss erst
erschlossen werden und kann daher in einer Ausstellung nicht für
sich selbst stehen ohne mindestens anachronistische Interpretationen
zu provozieren.
Was bleibt also? Die Ausstellung ist
ein Versuch neue Themen zu erschließen und daher wichtig. Sie bietet
interessante Ausstellungsstücke zum Ersten Weltkrieg und eine
wichtige Perspektive „von unten“, die es vermag zumindest eine
Geschichte der „Großen Weißen Männer“ zu umgehen und
vielleicht zu hinterfragen. Was fehlt ist eine Thematisierung des
Fühlens und seiner Historizität selbst, der Normen und Diskurse des
Fühlens, des Redens, Schreibens oder anderweitigen Ausdrückens des
Fühlens. So wichtig die Zuwendung zu solchen Themen ist, nicht
zuletzt weil sie es mehr als andere Geschichten schaffen könnten zu
bilden statt nur wissensbulimisch vermeintliche Fakten zu vermitteln,
so sehr kann sie auch fehlgehen, wenn dem einzelnen Soldaten in
seinem Ausdruck per se „Authentizität“ zugesprochen und sein
Fühlen dabei klammheimlich durch anachronistische Deutungen
modernisiert wird. Was bleibt ist dann nur das Fühlen des Besuchers,
eine eigene spannende Geschichte wert aber nicht zum Preis des
Fühlens des historischen „Anderen“.
Sonntag, 12. Juli 2015
Die Überheblichkeit der Vereinfachung - das Beispiel Freital
Freital und anderswo. Schrecklich. Abscheulich. Unendlich ungerecht was
dort den Flüchtlingen seitens Teilen der Bevölkerung entgegengebracht
wird.
Es ist abzulehnen, zu bekämpfen, zu verabscheuen. Aber zu vereinfachen? So liest man allzuoft Beiträge, die diese euphemistisch so bezeichneten "Flüchtlingsgegner" entweder als "besorgte Bürger" verharmlosen oder aber sie als "dumm" und "böse" inszenieren. Um Letzteres soll es hier gehen. Diese Zuschreibung macht es nämlich so schön einfach. In der Erklärung der "Dummheit" und "Boshaftigkeit", gern auch "Mitleid- oder Fühllosigkeit" lässt sich so schnell die Ursache ausmachen und zugleich schafft dies eine Wirklichkeit, in der man selbst nie zu "jenen" gehören könne, es a priori ausschliesst, denn man selbst sei ja weder "dumm", noch "böse", noch "mitleidlos". Der Wunsch nach absoluter Abgrenzung ist verständlich und liegt in der emotionalen Abwehr dieser Denk- und Handlungsmuster begründet, die durchaus eine wichtige Bedeutung hat. Aber dies offenbart auch eines der Grundprobleme, den diese Überheblichkeit mit den "Flüchtlingsgegnern" teilt.
Letztere sind nicht "dumm", "böse" oder "mitleidlos", sie sind vor allem wenig gebildet und teilen dies mit denen, die diese leichten, einfachen Lösungen die diese Zuschreibungen sind, häufig nutzen.
Menschen handeln, weil sie spezifische Wahrnehmungs-, Denk-, Fühl und Handlungsmuster erlernt und u.a. mit Hilfe sozialer Prozesse emotional abgesichert haben oder anders, weil sie spezifischen Wirklichkeiten
folgen. Genau dies trifft aber grundsätzlich auf beide Seiten zu. Freilich unterscheiden diese sich im Ergebnis, die eine ist erträglicher als die andere aber keine von beiden ist "rationaler", "reflektierter" oder bringt eben solche Akteure hervor. Sie beide basieren auf den selben Mechanismen und Prozessen. Eben jene Prozesse sind dabei überall zu sehen, nicht nur selbst auch bei facebook, sondern insbesondere auch hier.
Wirklichkeiten werden eingeübt, verteidigt, sozial sanktioniert, Exklusivität wird geschaffen, Abweichendes bestraft, spezifische Wirklichkeiten hegemonialisiert, verabsolutiert.
Wir alle sind aktiver und passiver Teil solcher Prozesse. Welche Wirkungen und Wirklichkeiten entstehen hängt damit maßgeblich von den sozialen Gruppen ab, in denen wir diese erlernen und von den Grundbedigungen, die wir zum Durschauen von uns selbst als Akteur und den sozialen und kulturellen Prozessen, mitbringen, erlernt haben.
Nur Bildung, verstanden als kritisches Denken, kann diesen Prozess aufbrechen, Verabsolutierungen und Naturalisierungen von Wirklichkeiten verhindern. Aber diese Bildung wird nicht in der Schule erlernt,
nicht in der Ausbildung und kaum im Studium. Der Sinn unserer Bildungseinrichtungen ist die Vermittlung von Funktionswissen, das Erlernen von genau so viel Wissen und damit auch spezifischer Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, die eine Reproduktion der Gesellschaft und ihrer Produktivität erlauben. Bildung ist in dieser Hinsicht kontraproduktiv, sie erzeugt Unbequemlichkeiten, Störungen des Systems und dies nicht nur partiell wie an dem Beispiel einer damit letztlich in Kauf genommenen Gewalt und Abwehr gegen Flüchtlinge, die ohnehin "Andere" treffen, nicht durch die Gesellschaft und ihre Exklusivität erzeugte "Eigene", sondern beständig.
Was bedeutet dies nun? Es bedeutet, dass die Zuschreibungen wie "dumm", "böse" oder "mitleidlos" nicht mehr sind, als einfache Bewältigungsmuster die die eigene Unschuld sicherstellen wollen und eine Überheblichkeit transportieren, die das Selbst als entgegen dieser Zuschreibungen konstruiert, damit aber übersieht, wie Wahrnehmen, Denken und Handeln erlernt werden und funktionieren. Es bedeutet freilich auch, dass gegen die Handlungen dieser "Flüchtlingsgegner"
ein große emotionale Abwehr existiert, es also alternative Wirklichkeiten gibt, die erträglicher sind und die es zu befördern gilt. Es heisst aber auch, dass wir uns bewusst sein sollten, wie unsere eigenen fragilen Wirklichkeiten entstehen und auch vergehen können. Es bedeutet, dass wir handeln müssen, strafen, kämpfen, ändern, dass wir wütend sein müssen, abgestoßen, angeekelt aber dabei nie ohne Bedauern, immer ohne Hassen und immer bewusst, dass auch das, was wir als Selbst begreifen, unsere Abwehr, unser Mitleid und unsere "Offenheit" Dinge sind, die wir erlernt haben, bedingt durch die sozialen Zugehörigkeiten, durch Exklusivitäten, die wir selbst jeden Tag mitschaffen und uns dabei Prozessen bedienen, die ebenso ursächlich für das sind, was hier bekämpft wird.
Schlussendlich bedeutet es vor allem das Kernproblem zu schauen und zu bekämpfen, in uns wie in allen anderen, den Mangel an Bildung als kritischem Denken.
Es ist abzulehnen, zu bekämpfen, zu verabscheuen. Aber zu vereinfachen? So liest man allzuoft Beiträge, die diese euphemistisch so bezeichneten "Flüchtlingsgegner" entweder als "besorgte Bürger" verharmlosen oder aber sie als "dumm" und "böse" inszenieren. Um Letzteres soll es hier gehen. Diese Zuschreibung macht es nämlich so schön einfach. In der Erklärung der "Dummheit" und "Boshaftigkeit", gern auch "Mitleid- oder Fühllosigkeit" lässt sich so schnell die Ursache ausmachen und zugleich schafft dies eine Wirklichkeit, in der man selbst nie zu "jenen" gehören könne, es a priori ausschliesst, denn man selbst sei ja weder "dumm", noch "böse", noch "mitleidlos". Der Wunsch nach absoluter Abgrenzung ist verständlich und liegt in der emotionalen Abwehr dieser Denk- und Handlungsmuster begründet, die durchaus eine wichtige Bedeutung hat. Aber dies offenbart auch eines der Grundprobleme, den diese Überheblichkeit mit den "Flüchtlingsgegnern" teilt.
Letztere sind nicht "dumm", "böse" oder "mitleidlos", sie sind vor allem wenig gebildet und teilen dies mit denen, die diese leichten, einfachen Lösungen die diese Zuschreibungen sind, häufig nutzen.
Menschen handeln, weil sie spezifische Wahrnehmungs-, Denk-, Fühl und Handlungsmuster erlernt und u.a. mit Hilfe sozialer Prozesse emotional abgesichert haben oder anders, weil sie spezifischen Wirklichkeiten
folgen. Genau dies trifft aber grundsätzlich auf beide Seiten zu. Freilich unterscheiden diese sich im Ergebnis, die eine ist erträglicher als die andere aber keine von beiden ist "rationaler", "reflektierter" oder bringt eben solche Akteure hervor. Sie beide basieren auf den selben Mechanismen und Prozessen. Eben jene Prozesse sind dabei überall zu sehen, nicht nur selbst auch bei facebook, sondern insbesondere auch hier.
Wirklichkeiten werden eingeübt, verteidigt, sozial sanktioniert, Exklusivität wird geschaffen, Abweichendes bestraft, spezifische Wirklichkeiten hegemonialisiert, verabsolutiert.
Wir alle sind aktiver und passiver Teil solcher Prozesse. Welche Wirkungen und Wirklichkeiten entstehen hängt damit maßgeblich von den sozialen Gruppen ab, in denen wir diese erlernen und von den Grundbedigungen, die wir zum Durschauen von uns selbst als Akteur und den sozialen und kulturellen Prozessen, mitbringen, erlernt haben.
Nur Bildung, verstanden als kritisches Denken, kann diesen Prozess aufbrechen, Verabsolutierungen und Naturalisierungen von Wirklichkeiten verhindern. Aber diese Bildung wird nicht in der Schule erlernt,
nicht in der Ausbildung und kaum im Studium. Der Sinn unserer Bildungseinrichtungen ist die Vermittlung von Funktionswissen, das Erlernen von genau so viel Wissen und damit auch spezifischer Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, die eine Reproduktion der Gesellschaft und ihrer Produktivität erlauben. Bildung ist in dieser Hinsicht kontraproduktiv, sie erzeugt Unbequemlichkeiten, Störungen des Systems und dies nicht nur partiell wie an dem Beispiel einer damit letztlich in Kauf genommenen Gewalt und Abwehr gegen Flüchtlinge, die ohnehin "Andere" treffen, nicht durch die Gesellschaft und ihre Exklusivität erzeugte "Eigene", sondern beständig.
Was bedeutet dies nun? Es bedeutet, dass die Zuschreibungen wie "dumm", "böse" oder "mitleidlos" nicht mehr sind, als einfache Bewältigungsmuster die die eigene Unschuld sicherstellen wollen und eine Überheblichkeit transportieren, die das Selbst als entgegen dieser Zuschreibungen konstruiert, damit aber übersieht, wie Wahrnehmen, Denken und Handeln erlernt werden und funktionieren. Es bedeutet freilich auch, dass gegen die Handlungen dieser "Flüchtlingsgegner"
ein große emotionale Abwehr existiert, es also alternative Wirklichkeiten gibt, die erträglicher sind und die es zu befördern gilt. Es heisst aber auch, dass wir uns bewusst sein sollten, wie unsere eigenen fragilen Wirklichkeiten entstehen und auch vergehen können. Es bedeutet, dass wir handeln müssen, strafen, kämpfen, ändern, dass wir wütend sein müssen, abgestoßen, angeekelt aber dabei nie ohne Bedauern, immer ohne Hassen und immer bewusst, dass auch das, was wir als Selbst begreifen, unsere Abwehr, unser Mitleid und unsere "Offenheit" Dinge sind, die wir erlernt haben, bedingt durch die sozialen Zugehörigkeiten, durch Exklusivitäten, die wir selbst jeden Tag mitschaffen und uns dabei Prozessen bedienen, die ebenso ursächlich für das sind, was hier bekämpft wird.
Schlussendlich bedeutet es vor allem das Kernproblem zu schauen und zu bekämpfen, in uns wie in allen anderen, den Mangel an Bildung als kritischem Denken.
Montag, 8. Juni 2015
Atheismus als Religion
Der Glaube, die Aufgabe von Gott als Lenker der Welt, hätte uns "befreit" ist nichts als ein Irrglaube, ein selbstgerechtes, selbstverliebtes Statement. Die Verunsicherung, die der Wegbruch fester Werte und damit Sicherheit, erzeugt hat, wurde durch das Dogma der Natur gefüllt.
Aus ihr selbst heraus sollten nun die Gesetze des Lebens und das Gute der Welt erkannt und legitimiert werden.
Dieser neue Irrglaube wirkt bis heute in erschreckender Weise nach. Das vermeintlich Natürliche der Welt und des Umgangs des Menschen mit sich und ihr, das letztlich nicht mehr ist als das alltäglich Sichtbare, dessen soziale und kulturelle Konstruktion geleugnet oder negiert wird, ist nun der Maßstab und der Grund der neuen Werte geworden. Eine solche Weltkonstruktion und ihre Werte leben von Naturalisierungen sozialer und kultureller Mechanismen und einer durch und durch positivistischen Sichtweise.
So wie die soziale Hierarchie in der Frühen Neuzeit durch das Beobachten scheinbar natürlicher, jedoch sozial eingeübter und unter bestimmten Vorstellungen gedeuteter Verhaltensweisen gerechtfertigt wurde, so wird auch heute noch die Superiorität des "Menschen" gegenüber dem "Tier" festgeschrieben.
Die Möglichkeit dessen ergibt sich nicht zuletzt aus einem Missverständnis, das darin besteht, alltägliche Beobachtungen als quasi naturwissenschaftliches Testsystem zu deuten.
Dabei handelt es sich jedoch nur um eine lebensweltliche und nicht wissenschaftliche Beobachtung, die ihre eigenen Vorannahmen übersieht und die das Bestehende somit nur bestätigen kann, bereits deutet statt beobachtet und antwortet statt fragt.
Dies ist möglich aufgrund des inszenierten alltagsmenschlichen Selbstverständnisses als vernünftiges und praktisch immer zum reflektierten Selbstdenken fähigen (und damit allezeit wissenschaftlich beobachtenden) Wesen, sowie der Verleugnung des Werts von Sozial- und Geisteswissenschaften und der Superiorität naturwissenschaftlicher Forschung oder in diesem Sinne einer abgespeckten, selbstkritikfreien Version dessen.
Ursache dieses Umstands ist der weit verbreitete Irrtum des s.g. "Naiven Realismus" als der Idee, dass die Welt so ist, wie sie sich uns in unserer Wahrnehmung darstellt. Die "Realität", oftmals die Problematik verschärfend normativ aufgeladen und als "Normalität" gesetzt, wird so zur Begründung des Handelns. Diese ist jedoch nicht mehr als ein Konstrukt, ein Ideal, dass sich aus einem möglichen Ausschnitt der (Be)Deutungsvielfalt herausschält und ihrerseits die Wahrnehmung der Welt prägt. Diese Konstruktion erfüllt zum Einen den Sinn, dem Chaos der Vielfalt zu entkommen und Handlungsfähigkeit zu erzeugen und zum Anderen, um Gemeinschaft über eine gemeinsam konstruierte und bestätigte Wirklichkeit zu schaffen. Dabei bildet diese Normalitätskonstruktion nur ein Ideal, eine Bedeutungsnetzwerk an Möglich- und Verbindlichkeiten, aus dem sich je unterschiedlich stark die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bedienen.
Neben "traditionellen Religionen" setzt sich so ein anderes Glaubenssystem, eine andere Wirklichkeit, eine andere Konstruktion von Welt, die als quasi-religiös zu bezeichnen ist, ebenso basierend auf Dogmen von "Natürlichkeit", "Rationalität" und "Autonomie", die in das Selbstbild des glaubenden Säkularisierten eingeschrieben sind, gruppiert um je spezifisches "Heiliges" wie "Familie", "Arbeit", "Freiheit", das postuliert wird, affektiv aufgeladen ist, angenommen statt hinterfragt oder begründet werden soll und auf die es stützendenden grundsätzlichen dogmatischen Glaubenssätze angewiesen ist.
Als Mittel zu deren Absicherung werden die zu den s.g. "Naturwissenschaften" konstruierten Forschungsbereiche gebraucht oder vielmehr deren vereinfachte und selten verstandene Konzepte, die Teile und vermeintliche Basis des zeitgenössischen "atheistischen" Glaubens bilden, jedoch nur soweit sie allgemeinverständlich scheinen und den jeweiligen Glauben stützen.
Doch auch hierbei zeigt sich der Irrglaube, denn auch "Naturwissenschaften" bilden keine "Realität" ab, sondern erzählen uns von einer Wirklichkeit, die sie selbst mitschaffen. Realität abzubilden würde voraussetzen sie außerhalb von Wahrnehmung zu erfassen, da jede Wahrnehmung, gleich durch welche "Brille" oder durch welche "Instrumente" sie erfolgt bereits eine Konstruktionsleistung ist, die von der jeweiligen vorhergehenden Wirklichkeit abhängig ist. Da uns nur die Wahrnehmung bleibt, durch die wir Welt erfahren können, bieten uns auch die Naturwissenschaften nur Konstrukte an, die sie mit Bedeutung ausstatten, zu Narrativen machen. Nur wenn wir den Glauben an die Wahrheit der Naturwissenschaften endlich auch allgemein aufbrechen, haben wir eine Chance die Geisteswissenschaften wieder aufzuwerten, die in ihrer Selbstreflektion bereits weiter vorangeschritten zu sein scheinen...Was dabei entsteht muss keine Verunsicherung sein, sondern eine Wissenschaft, die das Mögliche außerhalb ihrer bisherigen Narrative zu denken imstande ist. Auch entsteht daraus kein Chaos, sondern die Möglichkeit des Schaffens, wenn wir uns nicht mehr auf je spezifische Wahrheiten als Natürlichkeiten berufen können, mit denen wir mit dem Schwert des Zeitgeistes gegen das "Andere" zu Felde ziehen.
Dies heisst nun nicht, dass wir in einen Relativismus verfallen dürfen oder müssen. Es heisst lediglich im Sinne kritischen Denkens die eigene Wirklichkeit zu hinterfragen und geeignetere Bewertungskriterien zu finden als jene nach einer größtmöglichen Passung mit einer nicht existierenden (bzw. nicht zugänglichen) Realität, deren Mangel traditionellem Glauben angeheftet wird. Diese neuen Bewertungskritieren richten sich dabei ihrerseits nach der Funktion. Für die Psychotherapie ist das Auswahlkriterium für eine Wirklichkeit ein erträglicheres Leben für das Individuum, für generelle, in diesem Sinne moralischere Handlungsweisen, ist es die Ethik selbst, die das Kriterium stellt. In diesem Sinne steht die Forderung nach einer Ethik, die sich als Methode und nicht als Normenkatalog und damit als eigenständige Wirklichkeit präsentiert.
Die Frage ist damit nicht, ob "Religion" abzulehnen ist, ob sie "wahr" oder "falsch" ist, sondern welche "Religion", ob säkular oder nicht, die "richtige" ist, um eine solche Wirklichkeit zu schaffen.
Aus ihr selbst heraus sollten nun die Gesetze des Lebens und das Gute der Welt erkannt und legitimiert werden.
Dieser neue Irrglaube wirkt bis heute in erschreckender Weise nach. Das vermeintlich Natürliche der Welt und des Umgangs des Menschen mit sich und ihr, das letztlich nicht mehr ist als das alltäglich Sichtbare, dessen soziale und kulturelle Konstruktion geleugnet oder negiert wird, ist nun der Maßstab und der Grund der neuen Werte geworden. Eine solche Weltkonstruktion und ihre Werte leben von Naturalisierungen sozialer und kultureller Mechanismen und einer durch und durch positivistischen Sichtweise.
So wie die soziale Hierarchie in der Frühen Neuzeit durch das Beobachten scheinbar natürlicher, jedoch sozial eingeübter und unter bestimmten Vorstellungen gedeuteter Verhaltensweisen gerechtfertigt wurde, so wird auch heute noch die Superiorität des "Menschen" gegenüber dem "Tier" festgeschrieben.
Die Möglichkeit dessen ergibt sich nicht zuletzt aus einem Missverständnis, das darin besteht, alltägliche Beobachtungen als quasi naturwissenschaftliches Testsystem zu deuten.
Dabei handelt es sich jedoch nur um eine lebensweltliche und nicht wissenschaftliche Beobachtung, die ihre eigenen Vorannahmen übersieht und die das Bestehende somit nur bestätigen kann, bereits deutet statt beobachtet und antwortet statt fragt.
Dies ist möglich aufgrund des inszenierten alltagsmenschlichen Selbstverständnisses als vernünftiges und praktisch immer zum reflektierten Selbstdenken fähigen (und damit allezeit wissenschaftlich beobachtenden) Wesen, sowie der Verleugnung des Werts von Sozial- und Geisteswissenschaften und der Superiorität naturwissenschaftlicher Forschung oder in diesem Sinne einer abgespeckten, selbstkritikfreien Version dessen.
Ursache dieses Umstands ist der weit verbreitete Irrtum des s.g. "Naiven Realismus" als der Idee, dass die Welt so ist, wie sie sich uns in unserer Wahrnehmung darstellt. Die "Realität", oftmals die Problematik verschärfend normativ aufgeladen und als "Normalität" gesetzt, wird so zur Begründung des Handelns. Diese ist jedoch nicht mehr als ein Konstrukt, ein Ideal, dass sich aus einem möglichen Ausschnitt der (Be)Deutungsvielfalt herausschält und ihrerseits die Wahrnehmung der Welt prägt. Diese Konstruktion erfüllt zum Einen den Sinn, dem Chaos der Vielfalt zu entkommen und Handlungsfähigkeit zu erzeugen und zum Anderen, um Gemeinschaft über eine gemeinsam konstruierte und bestätigte Wirklichkeit zu schaffen. Dabei bildet diese Normalitätskonstruktion nur ein Ideal, eine Bedeutungsnetzwerk an Möglich- und Verbindlichkeiten, aus dem sich je unterschiedlich stark die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bedienen.
Neben "traditionellen Religionen" setzt sich so ein anderes Glaubenssystem, eine andere Wirklichkeit, eine andere Konstruktion von Welt, die als quasi-religiös zu bezeichnen ist, ebenso basierend auf Dogmen von "Natürlichkeit", "Rationalität" und "Autonomie", die in das Selbstbild des glaubenden Säkularisierten eingeschrieben sind, gruppiert um je spezifisches "Heiliges" wie "Familie", "Arbeit", "Freiheit", das postuliert wird, affektiv aufgeladen ist, angenommen statt hinterfragt oder begründet werden soll und auf die es stützendenden grundsätzlichen dogmatischen Glaubenssätze angewiesen ist.
Als Mittel zu deren Absicherung werden die zu den s.g. "Naturwissenschaften" konstruierten Forschungsbereiche gebraucht oder vielmehr deren vereinfachte und selten verstandene Konzepte, die Teile und vermeintliche Basis des zeitgenössischen "atheistischen" Glaubens bilden, jedoch nur soweit sie allgemeinverständlich scheinen und den jeweiligen Glauben stützen.
Doch auch hierbei zeigt sich der Irrglaube, denn auch "Naturwissenschaften" bilden keine "Realität" ab, sondern erzählen uns von einer Wirklichkeit, die sie selbst mitschaffen. Realität abzubilden würde voraussetzen sie außerhalb von Wahrnehmung zu erfassen, da jede Wahrnehmung, gleich durch welche "Brille" oder durch welche "Instrumente" sie erfolgt bereits eine Konstruktionsleistung ist, die von der jeweiligen vorhergehenden Wirklichkeit abhängig ist. Da uns nur die Wahrnehmung bleibt, durch die wir Welt erfahren können, bieten uns auch die Naturwissenschaften nur Konstrukte an, die sie mit Bedeutung ausstatten, zu Narrativen machen. Nur wenn wir den Glauben an die Wahrheit der Naturwissenschaften endlich auch allgemein aufbrechen, haben wir eine Chance die Geisteswissenschaften wieder aufzuwerten, die in ihrer Selbstreflektion bereits weiter vorangeschritten zu sein scheinen...Was dabei entsteht muss keine Verunsicherung sein, sondern eine Wissenschaft, die das Mögliche außerhalb ihrer bisherigen Narrative zu denken imstande ist. Auch entsteht daraus kein Chaos, sondern die Möglichkeit des Schaffens, wenn wir uns nicht mehr auf je spezifische Wahrheiten als Natürlichkeiten berufen können, mit denen wir mit dem Schwert des Zeitgeistes gegen das "Andere" zu Felde ziehen.
Dies heisst nun nicht, dass wir in einen Relativismus verfallen dürfen oder müssen. Es heisst lediglich im Sinne kritischen Denkens die eigene Wirklichkeit zu hinterfragen und geeignetere Bewertungskriterien zu finden als jene nach einer größtmöglichen Passung mit einer nicht existierenden (bzw. nicht zugänglichen) Realität, deren Mangel traditionellem Glauben angeheftet wird. Diese neuen Bewertungskritieren richten sich dabei ihrerseits nach der Funktion. Für die Psychotherapie ist das Auswahlkriterium für eine Wirklichkeit ein erträglicheres Leben für das Individuum, für generelle, in diesem Sinne moralischere Handlungsweisen, ist es die Ethik selbst, die das Kriterium stellt. In diesem Sinne steht die Forderung nach einer Ethik, die sich als Methode und nicht als Normenkatalog und damit als eigenständige Wirklichkeit präsentiert.
Die Frage ist damit nicht, ob "Religion" abzulehnen ist, ob sie "wahr" oder "falsch" ist, sondern welche "Religion", ob säkular oder nicht, die "richtige" ist, um eine solche Wirklichkeit zu schaffen.
Sonntag, 7. Juni 2015
Flüchtige Momentaufnahmen, Provokationen und Gedankenspiele IX
Die Forderung "Wissenschaft" habe sich "allgemeinverständlich", was immer nur heisst "so dass ich es gerade jetzt verstehe" und damit eine egozentrische Reduktion darstellt, auszudrücken, ist ein zweischneidiges Schwert, das das Wesen des je unterschiedlichen Sprechens gefahrvoll übersieht. So sinnvoll diese Forderung zum Ziele eines Höheren ist, so problematisch ist sie. Das Wesen der Alltagssprache ist die notwendige Reduktion, die Vereinfachung der Welt. Das Wesen des wissenschaftlichen Sprechens ist die Erfassung der Welt in ihrer Komplexität. Wo immer wir daher eine Vereinfachung ausserhalb des erwähnten Zwecks vornehmen, werden wir immer in die Gefahr je spezifischer Ismen blicken müssen, die in der die jeweilige Wirklichkeit beschreibend schaffenden Sprache angelegt sind. Eine alltagsweltliche Vereinfachung zur Wahrnehmungs- und Handlungsoptimierung der Sprache ist damit mitursächlich für Rassismus, Sexismus und Speziesismus.
Wer glaubt, dass "wir" in einer grundsätzlich freiheitlichen, pluralistischen und offenen Gesellschaft leben, der irrt eben so grundsätzlich.
Offenheit und Pluralismus, die Zulassung alternativer Wirklichkeiten, gelten nur so lange, wie sich diese alternativen Wirklichkeiten auf ästhetische Fragen einengen lassen, sie nicht das "Heilige" der Gesellschaft oder das System infrage stellen. Wo immer dieses "Andere" darüber hinaus geht, greift der Totalitarismus jedweden Systems. Es greift die Folter, verstanden als als Zwang empfundene, durch emotionales Leid begleitete, gewaltsame Forderungen nach Konformismus, wie sie sich versteckt in jedweder Sozialisation und offen abscheulich im Strafsystem finden lassen.
Pluralismus ist nur da erlaubt, wo er zahnlos, bedeutungslos bleibt und nur der Idealisierung des Systems als vermeintlich pluralistisch und freiheitlich dient.
Mit anderen Worten darf zwar jeder entscheiden welche Musikrichtung er hört, so lang diese nicht das System gefährdet aber zu entscheiden, ob eine Handlung einer Behörde der eigenen Würde widerspricht, darf nur so weit behauptet werden, wie davon eine allgemein anerkannte Würde, derer wir alle teilhaben dürfen und müssen, betroffen scheint.
Ein wirklich gerechtes System, welches zwar notwendig seine Grenzen des Pluralismus finden muss, muss als solches zugleich den Spagat zwischen einem wirklichen Pluralismus als Patchwork der Minderheiten im Sinne Lyotards und gleichzeitigem Universalismus dessen Grundlage nur eine ethische Methode sein kann, wagen.
Nur eine Gesellschaft, die beständig offen gegenüber allen Wirklichkeiten ist, deren hegemoniale Wirklichkeit als immer prima facie gefasst wird, die beständig und immer von jedem hinterfragbar sein muss, kann überhaupt daran denken, dies nur im Ansatz leisten zu können. Und nur ein solches System kann aus ethischer Sicht legitim sein.
Eine diskriminierungs- und gewaltfreie Sprache existiert nicht auch wenn die Alltagsnaivität auf der Suche nach ihr sein kann. Es ist die Funktion von Sprache zu diskriminieren. Sie soll Unterschiede durch Benennung generieren, als solche bewerten und so die Welt wertend ordnen. Für jeden Unterschied fällt eine Gemeinsamkeit und umgekehrt. Jedes Wort wählt aus und erzeugt in der Auswahl wechselseitig zur Wahrnehmung eine spezifische Wirklichkeit die sich wie jede in einem sprachlichen Gewaltakt und durch soziale Prozesse hegemonial setzt. Dies heisst jedoch nicht jedes Sprechen gut. Es verschiebt nur den Fokus vom Glauben einer solch freien Sprache hin zur Suche nach spezifischen und beständig kritisch zu begründenden wertenden Unterschiede.
Samstag, 6. Juni 2015
Rezension. Klappe die Erste....Mad Max Fury Road
Da auch "Popkultur" Teil des Lebens, Teil des Seins und Teil der Sinntruktur ist, bietet es sich an, auch darüber zu schreiben, freilich unter einem spezifischen Fokus, der an diesem Beispiel besonders aufscheint. Nicht Zweck, sondern Mittel, quasi Medium ist das mediale Ereignis hierbei...In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen...
Hm...okay...nunja, Mad Max – Fury Road...Was soll ich sagen. Zuerst einmal, der Film hat etwas, er ist ganz gut, hat mir gefallen aber meine Erwartungen wurden dann doch in einigen Bereichen enttäuscht, Erwartungen, die er allerdings nicht selbst geweckt hat oder geweckt haben wollte. Diese kamen aus einer ganz anderen Richtung. So sah sich anlässlich des Films mal wieder der intellektuelle Bodensatz der s.g. Zivilisation genötigt, sich zu äußern. Der Film sei „feministische Progaganda“, „männerfeindlich“ und „sollte boykottiert werden“. Mein Interesse war freilich mehr als geweckt. Wie sollte ein solcher Film nicht genial werden? Ich musste ihn sehen, konnte es nicht erwarten. Nach dem Sehen nun allerdings die Enttäuschung. Wo bitte war der Film „feministische Propaganda“? Oder anders gefragt, wo ging dieser angebliche „Feminismus“ über einen primitiven, infantilen „Feminismus“ hinaus, der ein genuin „Weibliches“ konstruiert und als positive, revolutionäre Norm einem scheinbar zum Grotesken gesteigerten „Männlichen“ gegenüberstellt und sich so selbst eines Sexismus schuldig macht? Freilich, ganz so einfach macht es sich der Film auch nicht. Zumindest verweigert er sich einer Zwangszuweisung dieses „Weiblichen“ als „gender“ an ein konstruiertes Geschlecht im Sinne von „sex“ und denkt es als mögliche Formen von Sozialisation, so dass auch ein „Mann“ dem Attribut „Fürsorge“ teilhaftig werden kann, wie auch eine Frau der „Gewalt“. Leider bleibt der Film auf dieser oberflächlichen Ebene stecken und konstruiert dieses „Weibliche“ als „Fürsorgliches“, „Lebenserhaltendes“ aus einem genuin weiblichen Körper. In diesem wird es gebildet, dieser ist ihr Ursprung, aus diesem kann es sich entfalten und auch den „männlichen Körper“ „befallen“. Indem also dieses genuin aus dem „Weiblichen“ stammende „Weibliche“ als Gegenentwurf eines genuin „Männlichen“ gesetzt wird, verbleibt der Film in einem ekelhaft konservativen „Feminismus“, der vielleicht als Entwicklungsstufe notwendig war, sich aber mittlerweile überlebt haben sollte.
Und auch in anderer Hinsicht blieb Enttäuschung zurück. Wenn schon nur ein oberflächlicher „Feminismus“, dann doch wenigstens Neues in den Sehgewohnheiten, ein Bruch mit den alten? Leider nein. Den „weiblichen“ Helden gibt es ebenso bereits als Topos, wie den nicht mehr uneingeschränkt „guten“. Und auch der Versuch eines ästhetischen „Häßlichen“, einer „Weiblichkeit“ jenseits von Arsch und Titten ist nicht neu. Gut, Charlize Theron fehlt ein halber Arm, sie hat ne Glatze und schmiert sich Öl ins Gesicht aber sie bleibt Charlize Theron, eine „Frau“, die durchaus konventionell im Spektrum des „Attraktiven“ bleibt. Auch ist das Modell einer „Weiblichkeit jenseits der Sexyness“ spätestens seit Alien erprobt. Was bliebe noch? Der eigentliche Titelträger des Films der zur Nebenfigur wird. Auch das wurde bereits vorher genutzt, z.B. im großartigen „Der letzte Mohikaner“. Allerdings ist es auch hier wieder nicht ganz so einfach. Immerhin ist „Mad Max“ wichtiger Impulsgeber und eines der beiden Aushängeschilder einer neuen „Männlichkeit“, die „weibliche“ Attribute aufnehmen kann. Aber gerade seine Impulse sind ein weiteres Problem und schließen den Kreis zur ersten Enttäuschung. Schließlich ist er es, der der „weiblichen“ Revolution als solche zum Start verhilft. So ist es doch wieder ein „männliches“ Hegemonialitätsstreben, das das „Weibliche“ zur Norm zu erheben vermag. Auch eine Charlize Theron, auch das „Weibliche“ als Alternative, auch die „Fürsorge“ und das „Leben Erhaltende“ sind so letztlich wieder einem spezifischen „Männlichen“ unterworfen.
Was bleibt also als Fazit. Nun, Fury Road ist ein alles in allem guter Film, ich mag ihn, wirklich, auch wenn mir das Verhältnis „Effekt : Inhalt“ etwas zu einseitig war und der Film nicht allzu viel zu erzählen wusste.
Das zweite wichtige Fazit, das ich aus diesem Film erneut ziehen kann ist, dass bloß weil eine Horde Idioten sich von einem Film in ihrer Idiotie bedroht fühlt, heisst dies nicht, dass der Film Besonderes oder Innovatives zu bieten hat, es heisst nachwievor einfach nur, dass es Idioten sind.
Hm...okay...nunja, Mad Max – Fury Road...Was soll ich sagen. Zuerst einmal, der Film hat etwas, er ist ganz gut, hat mir gefallen aber meine Erwartungen wurden dann doch in einigen Bereichen enttäuscht, Erwartungen, die er allerdings nicht selbst geweckt hat oder geweckt haben wollte. Diese kamen aus einer ganz anderen Richtung. So sah sich anlässlich des Films mal wieder der intellektuelle Bodensatz der s.g. Zivilisation genötigt, sich zu äußern. Der Film sei „feministische Progaganda“, „männerfeindlich“ und „sollte boykottiert werden“. Mein Interesse war freilich mehr als geweckt. Wie sollte ein solcher Film nicht genial werden? Ich musste ihn sehen, konnte es nicht erwarten. Nach dem Sehen nun allerdings die Enttäuschung. Wo bitte war der Film „feministische Propaganda“? Oder anders gefragt, wo ging dieser angebliche „Feminismus“ über einen primitiven, infantilen „Feminismus“ hinaus, der ein genuin „Weibliches“ konstruiert und als positive, revolutionäre Norm einem scheinbar zum Grotesken gesteigerten „Männlichen“ gegenüberstellt und sich so selbst eines Sexismus schuldig macht? Freilich, ganz so einfach macht es sich der Film auch nicht. Zumindest verweigert er sich einer Zwangszuweisung dieses „Weiblichen“ als „gender“ an ein konstruiertes Geschlecht im Sinne von „sex“ und denkt es als mögliche Formen von Sozialisation, so dass auch ein „Mann“ dem Attribut „Fürsorge“ teilhaftig werden kann, wie auch eine Frau der „Gewalt“. Leider bleibt der Film auf dieser oberflächlichen Ebene stecken und konstruiert dieses „Weibliche“ als „Fürsorgliches“, „Lebenserhaltendes“ aus einem genuin weiblichen Körper. In diesem wird es gebildet, dieser ist ihr Ursprung, aus diesem kann es sich entfalten und auch den „männlichen Körper“ „befallen“. Indem also dieses genuin aus dem „Weiblichen“ stammende „Weibliche“ als Gegenentwurf eines genuin „Männlichen“ gesetzt wird, verbleibt der Film in einem ekelhaft konservativen „Feminismus“, der vielleicht als Entwicklungsstufe notwendig war, sich aber mittlerweile überlebt haben sollte.
Und auch in anderer Hinsicht blieb Enttäuschung zurück. Wenn schon nur ein oberflächlicher „Feminismus“, dann doch wenigstens Neues in den Sehgewohnheiten, ein Bruch mit den alten? Leider nein. Den „weiblichen“ Helden gibt es ebenso bereits als Topos, wie den nicht mehr uneingeschränkt „guten“. Und auch der Versuch eines ästhetischen „Häßlichen“, einer „Weiblichkeit“ jenseits von Arsch und Titten ist nicht neu. Gut, Charlize Theron fehlt ein halber Arm, sie hat ne Glatze und schmiert sich Öl ins Gesicht aber sie bleibt Charlize Theron, eine „Frau“, die durchaus konventionell im Spektrum des „Attraktiven“ bleibt. Auch ist das Modell einer „Weiblichkeit jenseits der Sexyness“ spätestens seit Alien erprobt. Was bliebe noch? Der eigentliche Titelträger des Films der zur Nebenfigur wird. Auch das wurde bereits vorher genutzt, z.B. im großartigen „Der letzte Mohikaner“. Allerdings ist es auch hier wieder nicht ganz so einfach. Immerhin ist „Mad Max“ wichtiger Impulsgeber und eines der beiden Aushängeschilder einer neuen „Männlichkeit“, die „weibliche“ Attribute aufnehmen kann. Aber gerade seine Impulse sind ein weiteres Problem und schließen den Kreis zur ersten Enttäuschung. Schließlich ist er es, der der „weiblichen“ Revolution als solche zum Start verhilft. So ist es doch wieder ein „männliches“ Hegemonialitätsstreben, das das „Weibliche“ zur Norm zu erheben vermag. Auch eine Charlize Theron, auch das „Weibliche“ als Alternative, auch die „Fürsorge“ und das „Leben Erhaltende“ sind so letztlich wieder einem spezifischen „Männlichen“ unterworfen.
Was bleibt also als Fazit. Nun, Fury Road ist ein alles in allem guter Film, ich mag ihn, wirklich, auch wenn mir das Verhältnis „Effekt : Inhalt“ etwas zu einseitig war und der Film nicht allzu viel zu erzählen wusste.
Das zweite wichtige Fazit, das ich aus diesem Film erneut ziehen kann ist, dass bloß weil eine Horde Idioten sich von einem Film in ihrer Idiotie bedroht fühlt, heisst dies nicht, dass der Film Besonderes oder Innovatives zu bieten hat, es heisst nachwievor einfach nur, dass es Idioten sind.
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