Freital und anderswo. Schrecklich. Abscheulich. Unendlich ungerecht was
dort den Flüchtlingen seitens Teilen der Bevölkerung entgegengebracht
wird.
Es ist abzulehnen, zu bekämpfen, zu verabscheuen. Aber zu
vereinfachen? So liest man allzuoft Beiträge, die diese euphemistisch so
bezeichneten "Flüchtlingsgegner" entweder als "besorgte Bürger"
verharmlosen oder aber sie als "dumm" und "böse" inszenieren. Um
Letzteres soll es hier gehen. Diese Zuschreibung macht es nämlich so
schön einfach. In der Erklärung der "Dummheit" und "Boshaftigkeit", gern
auch "Mitleid- oder Fühllosigkeit" lässt sich so schnell die Ursache
ausmachen und zugleich schafft dies eine Wirklichkeit, in der man selbst
nie zu "jenen" gehören könne, es a priori ausschliesst, denn man selbst
sei ja weder "dumm", noch "böse", noch "mitleidlos". Der Wunsch nach
absoluter Abgrenzung ist verständlich und liegt in der emotionalen
Abwehr dieser Denk- und Handlungsmuster begründet, die durchaus eine
wichtige Bedeutung hat. Aber dies offenbart auch eines der
Grundprobleme, den diese Überheblichkeit mit den "Flüchtlingsgegnern"
teilt.
Letztere sind nicht "dumm", "böse" oder "mitleidlos", sie
sind vor allem wenig gebildet und teilen dies mit denen, die diese
leichten, einfachen Lösungen die diese Zuschreibungen sind, häufig
nutzen.
Menschen handeln, weil sie spezifische Wahrnehmungs-, Denk-,
Fühl und Handlungsmuster erlernt und u.a. mit Hilfe sozialer Prozesse
emotional abgesichert haben oder anders, weil sie spezifischen
Wirklichkeiten
folgen. Genau dies trifft aber grundsätzlich auf
beide Seiten zu. Freilich unterscheiden diese sich im Ergebnis, die eine
ist erträglicher als die andere aber keine von beiden ist "rationaler",
"reflektierter" oder bringt eben solche Akteure hervor. Sie beide
basieren auf den selben Mechanismen und Prozessen. Eben jene Prozesse
sind dabei überall zu sehen, nicht nur selbst auch bei facebook, sondern
insbesondere auch hier.
Wirklichkeiten werden eingeübt, verteidigt,
sozial sanktioniert, Exklusivität wird geschaffen, Abweichendes
bestraft, spezifische Wirklichkeiten hegemonialisiert, verabsolutiert.
Wir alle sind aktiver und passiver Teil solcher Prozesse. Welche
Wirkungen und Wirklichkeiten entstehen hängt damit maßgeblich von den
sozialen Gruppen ab, in denen wir diese erlernen und von den
Grundbedigungen, die wir zum Durschauen von uns selbst als Akteur und
den sozialen und kulturellen Prozessen, mitbringen, erlernt haben.
Nur Bildung, verstanden als kritisches Denken, kann diesen Prozess
aufbrechen, Verabsolutierungen und Naturalisierungen von Wirklichkeiten
verhindern. Aber diese Bildung wird nicht in der Schule erlernt,
nicht in der Ausbildung und kaum im Studium. Der Sinn unserer
Bildungseinrichtungen ist die Vermittlung von Funktionswissen, das
Erlernen von genau so viel Wissen und damit auch spezifischer
Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, die eine Reproduktion der
Gesellschaft und ihrer Produktivität erlauben. Bildung ist in dieser
Hinsicht kontraproduktiv, sie erzeugt Unbequemlichkeiten, Störungen des
Systems und dies nicht nur partiell wie an dem Beispiel einer damit
letztlich in Kauf genommenen Gewalt und Abwehr gegen Flüchtlinge, die
ohnehin "Andere" treffen, nicht durch die Gesellschaft und ihre
Exklusivität erzeugte "Eigene", sondern beständig.
Was bedeutet dies
nun? Es bedeutet, dass die Zuschreibungen wie "dumm", "böse" oder
"mitleidlos" nicht mehr sind, als einfache Bewältigungsmuster die die
eigene Unschuld sicherstellen wollen und eine Überheblichkeit
transportieren, die das Selbst als entgegen dieser Zuschreibungen
konstruiert, damit aber übersieht, wie Wahrnehmen, Denken und Handeln
erlernt werden und funktionieren. Es bedeutet freilich auch, dass gegen
die Handlungen dieser "Flüchtlingsgegner"
ein große emotionale
Abwehr existiert, es also alternative Wirklichkeiten gibt, die
erträglicher sind und die es zu befördern gilt. Es heisst aber auch,
dass wir uns bewusst sein sollten, wie unsere eigenen fragilen
Wirklichkeiten entstehen und auch vergehen können. Es bedeutet, dass wir
handeln müssen, strafen, kämpfen, ändern, dass wir wütend sein müssen,
abgestoßen, angeekelt aber dabei nie ohne Bedauern, immer ohne Hassen
und immer bewusst, dass auch das, was wir als Selbst begreifen, unsere
Abwehr, unser Mitleid und unsere "Offenheit" Dinge sind, die wir erlernt
haben, bedingt durch die sozialen Zugehörigkeiten, durch
Exklusivitäten, die wir selbst jeden Tag mitschaffen und uns dabei
Prozessen bedienen, die ebenso ursächlich für das sind, was hier
bekämpft wird.
Schlussendlich bedeutet es vor allem das Kernproblem
zu schauen und zu bekämpfen, in uns wie in allen anderen, den Mangel an
Bildung als kritischem Denken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen