Diese Frage geht zurück
auf eine Ringvorlesung an der BTK in Berlin, die mich zugleich
inspirierte, selbst dieser Frage in einer Verdeutlichung nachzugehen.
Es geht dabei nicht darum, sie zu beantworten, zumindest nicht zur
Gänze, sondern sich der Antwort fragend zu nähern und einige, aus
meiner Sicht zu beachtende Aspekte zu verdeutlichen.
Bei näherem Hinsehen
zerfällt diese Frage in mehrere, die sich nach unterschiedlichen
Begriffen ausrichten, so ist von „Kunst“, „Gestaltung“, wie
auch „Design“ die Rede, die jeweils nicht bedeutungsgleich
gelesen werden können, ein Problem, dass später noch zum Tragen
kommen wird.
Ich will mich dieser
Frage, ohne eine umfangreiche vergleichende Begriffsklärung
anzustrengen, in ihrer jeweiligen durch die Begriffe bestimmten
Eigenheiten nähern.
1. Gibt es
gestalterisches Forschen?
Diese Frage ist von allen
die am einfachsten zu beantwortende. Mit dem Begriff der Gestaltung
wird ein „kreativer Schaffensprozess, bei
welchem durch die Arbeit des Gestaltenden eine Sache [...] verändert
wird, d. h. erstellt, modifiziert oder entwickelt wird und dadurch
eine bestimmte Form oder ein bestimmtes Erscheinungsbild verliehen
bekommt oder annimmt“ gemeint. Bei wikipedia wird dabei zwischen
zwei Bedeutungen unterschieden. Zum Einen bezeichnet Gestaltung
„einen bewussten Eingriff in die Umwelt mit dem Ziel, diese in eine
bestimmte Richtung zu verändern.“ Zum Anderen ist Gestaltung die
„bewusste, verändernde Einflussnahme auf die ästhetische
Erscheinung von Dingen oder Zusammenhängen, also auf unmittelbar
sinnlich wahrnehmbare Phänomene (wie Räumen, Objekten, Handlungen,
Bewegung usw.). Beispiele sind die Bereiche der Musik,
sowie die verschiedenen Designbereiche als Gestaltung von Produkten, Grafik, Mode, Architektur usw. oder die individuelle Körpergestaltung oder Umfeldgestaltung.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Gestaltung, letzter Zugriff 02.12.2013, 12:03.)
So
klar diese Trennung scheint, so wenig ist sie praktisch gegeben, denn
jede, nennen wir sie „ästhetische Gestaltung“, ist zugleich
Gestaltung in eine bestimmte Richtung innerhalb des Rahmens aus
Selbst- und Weltkonstruktion von Akteuren und Gesellschaften. Die
„angemessene Formfindung“ als Inhalt des Begriffs innerhalb der
zweiten Ebene, wie er scheinbar im Kontext des Designs gebraucht wird
ist zwar oberflächlich betrachtet ein bewusster Prozesse aber auch
er folgt Phänomenen, die man mit „Zeitgeist“, „Kultur“,
„Identität“ bezeichnen könnte.
Um
sich der Frage nun weiter zu nähern, ist zwischen weiteren
Bedeutungen zu unterscheiden. So kann „gestalterisches Forschen“
den Begriff der Forschung fokussieren, als auch den Begriff des
Gestaltens. Zu erst soll die erste Bedeutung betrachtet werden, da
diese erneut einfacher zu beantworten ist. Die zweite Bedeutung soll
entsprechend umformuliert werden im Sinne des „Forschens mit
gestalterischen Mitteln“ oder anders „Design als Wissenschaft“.
Die
erste Frage kann nun leicht beantwortet werden, denn Forschen ist
immer gestalterisch. Erforschen wir Vergangenheit, gestalten wir sie
zu Geschichte, die ihrerseits bestimmten Rahmenbedingungen und
Deutungen unterliegt. Aus Vergangenheit wird Geschichte gemacht. Das
jeweils Denk- und Interpretationspotential, dass zur Gestaltung
genutzt werden kann, ist durch kulturelle, institutionelle und
soziale Determinanten vorgegeben.
Was für die
Geschichtswissenschaft gilt, gilt jedoch für alle Wissenschaften und
ist wechselseitig zu denken. Wissenschaftlicher Erkenntnisse werden
gestaltet, durch Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, durch
institutionelle Besonder- und Gegebenheiten aber sie gestalten auch
diese um. Bereits die Übersetzung in eine Sprache, das Denken in
Sprache, ja selbst der Blick auf die Untersuchung und ihre
Ergebnisse, die Themenauswahl und Methodenwahl sind Mittel der
Gestaltung und daher auch in jedem wissenschaftlichen Arbeiten, neben
weiteren Aspekten wie der kulturellen Rahmung, Identität und
Motivation als verändernde oder in diesem Sinne gestaltende Momente
zu beachten. Gibt es also in diesem Sinne „gestalterisches
Forschen“? Die Antwort muss „ja“ lauten.
Im Zusammenhang mit
dieser Bedeutungsebene steht ein weiterer Aspekt, der nicht zuletzt
durch das Ringen um eigenständige Bedeutung in bestehenden
Hierarchisierungen und Anerkennungsmechanismen steht: der Kampf des
Designs um einen eigenständigen Wert, der sich in der später zu
klärenden Frage nach Design als eigener Wissenschaft spiegelt, in
der sich das Design von der Marginalisierung als bloße „Hilfsarbeit“
der Wissenschaften zu lösen wünscht. Das Aufwertungsbestreben
bezieht sich dabei auch gleichzeitig auf diese „Hilfstätigkeit“
im Ringen um Anerkennung. Dabei birgt eine solche Verwendung
(weiterer!) gestalterischer Mittel sowohl Gefahren, als auch
Potential zur eigenen Neuverortung und Anerkennung.
In einer Welt der
stärkeren „Demokratisierung von Wissen“ (ausdrücklich ist hier
auf den Unterschied zwischen „Wissen“ und „Bildung“ zu
verweisen, auf den hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann)
und des Kampfes auch um monetäre Anerkennung und damit Fortbestehen
ganzer Wissenschaftszweige verstärkt sich der Druck nach
breitenwirksamer Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dabei
ist diese Streben insofern positiv, als dass es die
Instrumentalisierung des Wissens durch Interessengruppen verringern
kann, da die Vermittlung zugleich durch die Forscher selbst
„überwacht“ werden kann und insofern es, so das Wissen im Rahmen
einer Bildung verwendet wird, einem wichtigen Ziel folgen kann.
Aufgrund dessen kann hier
für das Design Anerkennung generiert werden, die jedoch mit Vorsicht
und mit eigener starker Theoriearbeit und Reflektion seitens des
Designs versehen sein sollte. Die in diesem Sinne „massentaugliche“
Gestaltung der Ergebnisse ist dabei als Übersetzung zu
konzeptionalisieren. Viel wenig beachtet scheint mir dabei die
Problematik einer Übersetzung. Bei jeder Übersetzung (selbst
innerhalb der Kommunikation zwei scheinbar die gleiche Sprache
Sprechender) kommt es zu Bedeutungsverschiebungen, die in diesem
Falle durch eine geforderte Komplexitätsreduktion begleitet werden.
Was bei einer Übersetzung geschieht ist eben nicht eine 1:1
Umwandlung, sondern eine Umwandlung, die zugleich eine Verwandlung
ist, neue Bedeutungen vermittelt, manche fokussiert, manche nicht.
Dies zu beachten und kritisch aufzuarbeiten könnte ein wirklich
wichtiger theoretischer Beitrag des Designs für Wissenschaft und
Bildung sein. Freilich kann und muss das Design dabei auf
Erkenntnisse der Kulturwissenschaften, Psychologie,
(Wissens)Soziologie, Philosophie und der Neurowissenschaften
zurückgreifen, kann sie jedoch speziell auf ihr Aufgabengebiet hin
ausrichten und erweitern.
Zum Abschluss dieses
Bereichs sei noch kurz auf einen weiteren Aspekt hingewiesen. Die
Übersetzbarkeit gilt nicht nur in Richtung der Massentauglichkeit,
sondern auch in Richtung des Verstehens seitens der Wissenschaftler
selbst. So kann die gestalterische, vor allem grafische Übersetzung
neue Perspektiven eröffnen und über ihre Bedeutungsverschiebung und
Fokussierung zugleich den Erkenntnisgewinn positiv beeinflussen.
Sowohl Gefahren als auch
Wert liegen hier also eng beieinander und das Bedürfnis nach
Anerkennung sollte vor allem ersteres nicht überblenden.
Der nächste Abschnitt
wird der Frage nach künstlerischem Forschen und Design als
Wissenschaft gewidmet sein.
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