Wie in der alliterativen Begriffsdopplung von "Kunst und Kultur", schon
angelegt, die eben wie bei "Kind und Kegel" nicht Kind und Kegel,
sondern alle Kinder meint, wird Kultur leider immer noch als Verstärkung
oder Synonym von Kunst, vor allem hegemonialer Kunstvorstellungen
benutzt. Kunst ist wichtig, denn Kunst kann versuchen, das Unsagbare zu
erzählen, das Allgemeine zu offenbaren, das Alltägliche zu
dekonstruieren und das Neue denkbar zu machen. Lust am eigenen kreativen
Schaffen zu wecken ist daher ebenso wichtig. Aber Voraussetzung für
eine Kunst, die Gesellschaft reflektieren kann und damit auch eine
wichtige politische Funktion einnimmt, wäre eine Kulturelle Bildung, die
ihrem Namen auch abseits eines kunstreduktionistischen Kulturbegriffs
gerecht werden kann, Was wir brauchen, ist eine Kulturelle Bildung, die
sich mit Kultur im Allgemeinen auseinandersetzt, mit all ihren
Spielarten. Nicht nur hegemonialer Kunst, nicht nur subkultureller
Kunst, sondern mit Kultur im kulturwissenschaftlichen Sinne, also mit
dem Alltag, den Bedeutungen, den Sinnstiftungen, den Weltdeutungen,
Performanzen, Praktiken, dem Fühlen-Denken-Handeln und dessen
Sinnstruktur, also mit dem, was aus der Welt erst Lebenswelt macht. Dann
aber könnte man Kulturelle Bildung nicht mehr so wohlfeil als einfaches
Aushängeschild und dessen Förderung nicht mehr als selbstgerechten
steuerlichen Ablasshandel benutzen, als zahnlose, rein ästhetische
Spielerei. Dann würde Kulturelle Bildung nämlich dazu beitragen,
kritisches Denken und Fühlen nicht außerhalb, sondern auch entgegen
Schule und Universität, entgegen Gesellschaft zu fördern. An Stelle des
passiven Kunstgenusses stünde der Spiegel, statt Identität die
Dekonstruktion. Das alles aber verhindert das Sprechen über Kultur als
Kunst nicht zuletzt im Rahmen des Förderns, denn das kritische Denken
ist zwar eine Kunst aber eben nicht Kunst.
Der Begriff des "Postfaktischen" ist letztlich ein Ausdruck reaktionären Denkens, das zurückführen soll in das Wissen der Moderne, in die Sicherheit des absoluten Wissens und der Gewissheit der "Fakten", die letztlich Politik legitimieren sollten. Statt einfach Begriffe wie "Lügner" oder "Rassist" zu gebrauchen und den Blick auf Bedingungen und Ursachen zu richten, wird mit dem Begriff des "Faktischen" als legitimierende Kraft verallgemeinert und vereinfacht. Entgegen der Programmatik des postmodernen Wissens als nötige Vielheit und Diversität von Erzählungen, führt die Moderne mit ihrer "normativen Kraft" des vermeintlich Faktischen zurück in zu entdeckende Gewissheiten, die die Welt einfach halten, in die Idee alles vermessen zu können, in den Fortschrittsglauben, in binäre Geschlechtermodelle, in Sicherheiten und nationalstaatliche Regulierungen als einzige Alternative.
So wie das Konstrukt des "biologischen Geschlechts" immer Brutstätte
sozialer Rollenzuschreibungen bleiben wird und daher überwunden oder
mindestens auf wenige Kontexte wie Medizin eingegrenzt werden muss, so
muss auch der Humanismus überwunden werden, mit seiner Überbetonung des
Menschen als Maß aller Dinge, um den Speziesismus grundlegend zu
erschüttern. So wie es galt, die Erzählungen der Moderne wie
"Rationalität", "Fortschrittlichkeit" und "Wahrheit" im postmodernen
Denken als Selbstgerechtigkeit mit all ihren Gewaltätigkeiten der
"Fakten" zu entlarven, so ist es nun als Teil dieses Prozesses Zeit,
mittels posthumanistischer Philosophie den Menschen als eins und nicht
als alles zu begreifen und damit aus dieser Selbstgerechtigkeit zu
entheben.
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