Sonntag, 15. März 2015

Das „Binnen-I“ als Beitrag zur Geschlechterdekonstruktion?

Das „Binnen-I“ als Beitrag zur Geschlechterdekonstruktion?

Diskussionen um das Binnen-I gibt es seit einigen Jahren und sie flammen immer wieder auf. Von der einen Seite mit dem Augenmerk auf die wirklichkeitsstrukturierende und -schaffende Macht von Sprache als Aufwertung des Weiblichen als gleichberechtigt gefordert, von der anderen Seite als unnötig abgetan, wird das Binnen-I immer mal wieder durchs diskursive Dorf getrieben, mal mehr und mal weniger reflektiert, sinnvoll und angebracht.
Das folgende Sprechen soll sich dieser Frage in kurzer Form aus einer geschlechterdekonstruktivistischen Perspektive widmen und eine Möglichkeit liefern diese zu betrachten. Das folgende Sprechen versteht sich dabei ausdrücklich als genannte Perspektive und nicht als Ausarbeitung, es soll zum Denken anregen, nicht entscheiden.
Wie bereits gesagt, sehe ich das Binnen-I als Versuch an, das Weibliche gegenüber dem Männlichen als gleichwertig aufzuwerten, ihm sprachlich Beachtung zu geben und so eine unterordnende Subsummierung des Weiblichen unter das Männliche in der Sprache und damit auch in den mit dieser produzierten Wirklichkeiten zu unterbinden. Dass das Weibliche aufgewertet werden kann, zeigt sich immer noch recht drastisch, wenn man die ungleichen Behandlungen betrachtet, die jedoch und dies ist enorm wichtig, nur die Spitze des Eisbergs darstellen und die ihren Kern in spezifischen Rollenzuschreibungen finden, die das Männliche und das Weibliche klar definieren, zum Leidwesen auf beiden Seiten. Dies soll und darf nicht vergessen werden. Nicht nur das Weibliche ist definiert und normiert, sondern auch das Männliche, wobei Letzteres nachwievor allzu oft als das gesellschaftlich Stärkere konzipiert zu sein scheint.
So sehr eine solche Aufwertung auch wünschenswert erscheint, so sehr geht sie doch am eigentlichen Problem vorbei. Freilich ist Dasjenige, das als weiblich konzipiert ist, dem als männlich konzipierten oftmals als unterlegen gedacht. Frauen werden schlechter bezahlt, werden als emotionaler gedacht, wobei Emotionalität dem Rationalitätskonstrukt als untergeordnet konzipiert ist und immer noch herrschen in weiten Teilen der Bevölkerung allgemein viele Sexismen vor, die die sprachlich manifestierte Unterordnung bestätigen.
Wenn Sprache nun Wirklichkeiten strukturieren kann, was wird dann mit der Aufwertung durch das Binnen-I geschaffen? Das als weiblich Konzipierte wird zwar aufgewertet aber zu zwei Preisen, die nicht gezahlt werden sollten. Zum Einen wird diese Aufwertung allzu oft zum Preis dieses Weiblichen als spezifisches Weibliches erkauft. Dies bedeutet, dass hier das Weibliche als genuin vom Männlichen verschieden und als spezifisches Weibliches gedacht wird, das sich an biologischen Kategorien, die selbst nichts als Konstrukte sind, orientiert und spezifische soziale Rollen zuschreibt. Gegenüber der Aufwertung eines spezifischen Weiblichen als Anderes, das jedoch gleichberechtigt sein soll, kann dabei auch die Aufwertung des Weiblichen als nur durch die Biologie vom Männlichen verschiedene soziale Rolle stehen. Beides Ansätze gehen jedoch fehl. Der erste Ansatz konstruiert anhand des biologischen Geschlechts als scheinbar natürliche Größe ein Anderes, das spezifisch als Rolle festgeschrieben wird, so weitgefasst diese auch teils sein können, während der zweite Ansatz es vermeidet ein Anderes zu denken und so Möglichkeiten als Rollen negiert und auf diese Weise normiert.
Zum Anderen wird mit Hilfe des Binnen-I die Geschlechterdichotomie insgesamt festgeschrieben, denn das Männliche und das Weibliche sind die einzig sprachlich repräsentierten Kategorien, die ihre Dichotomie in die Wirklichkeit tragen und diese strukturieren. In Beiden Fällen wird das Geschlecht (gender) und die zugrunde liegende bio-kulturelle Kategorie (sex) auf eine Bipolarität eingeschränkt und auf diese hin sprachlich normiert. Es drängt zum Entscheiden und mehr noch, es drängt zur Bedeutsamkeit des Geschlechts als die Wirklichkeiten strukturierende Kategorie anhand derer sich die Akteure zu definieren haben. Demgegenüber will ich etwas anderes setzen, das die Geschlechtskategorie nicht auf- sondern als das willkürliche Strukturmerkmal abwertet, das es ist. Es ist nicht mehr nötig, denn Orientierung auf die wir angewiesen sind, kann auch anders geschaffen werden. Nicht anhand als bedeutsam konstruierter äußerer Merkmale oder fester Rollenzuschreibungen, sondern neuer Möglichkeiten, die eine größere Varianz des Anderen zuzulassen vermag und im Sinne Lytoards zu einem auch im Bereich der Geschlechtsidentität Patchwork der Minderheiten führt, die jedoch nicht als Minderheiten beachtet werden müssen, denen wir alle angehören, sondern als Kategorie aufhört zumindest bedeutsam zu sein.
Aber wie dem sprachlich Rechnung tragen? Der Vorschlag kann nicht zur sprachlichen Repräsentation aller möglichen Formen eines Anderen führen, denn dies würde die Begriffe ins Unendliche ausdehnen. Auch kann es nicht zu einer vorbelasteten Subsummierung unter das Männliche kommen. Der Weg kann somit wohl nur jener hin zur Bedeutungslosigkeit des Geschlechts, sprachlich repräsentiert durch das Sächliche sein, das „Mensch“ an Stelle von „Mann“ und „Frau“ setzt und „das“ an die Stelle von „der“ oder „die“.
Damit wäre zumindest ein Teilerfolg geleistet und ein Weg in die Veränderung der Wirklichkeit durch Sprache.

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