Das „Binnen-I“ als Beitrag zur
Geschlechterdekonstruktion?
Diskussionen um das Binnen-I gibt es
seit einigen Jahren und sie flammen immer wieder auf. Von der einen
Seite mit dem Augenmerk auf die wirklichkeitsstrukturierende und
-schaffende Macht von Sprache als Aufwertung des Weiblichen als
gleichberechtigt gefordert, von der anderen Seite als unnötig
abgetan, wird das Binnen-I immer mal wieder durchs diskursive Dorf
getrieben, mal mehr und mal weniger reflektiert, sinnvoll und
angebracht.
Das folgende Sprechen soll sich dieser
Frage in kurzer Form aus einer geschlechterdekonstruktivistischen
Perspektive widmen und eine Möglichkeit liefern diese zu betrachten.
Das folgende Sprechen versteht sich dabei ausdrücklich als genannte
Perspektive und nicht als Ausarbeitung, es soll zum Denken anregen,
nicht entscheiden.
Wie bereits gesagt, sehe ich das
Binnen-I als Versuch an, das Weibliche gegenüber dem Männlichen als
gleichwertig aufzuwerten, ihm sprachlich Beachtung zu geben und so
eine unterordnende Subsummierung des Weiblichen unter das Männliche
in der Sprache und damit auch in den mit dieser produzierten
Wirklichkeiten zu unterbinden. Dass das Weibliche aufgewertet werden
kann, zeigt sich immer noch recht drastisch, wenn man die ungleichen
Behandlungen betrachtet, die jedoch und dies ist enorm wichtig, nur
die Spitze des Eisbergs darstellen und die ihren Kern in spezifischen
Rollenzuschreibungen finden, die das Männliche und das Weibliche
klar definieren, zum Leidwesen auf beiden Seiten. Dies soll und darf
nicht vergessen werden. Nicht nur das Weibliche ist definiert und
normiert, sondern auch das Männliche, wobei Letzteres nachwievor
allzu oft als das gesellschaftlich Stärkere konzipiert zu sein
scheint.
So sehr eine solche Aufwertung auch
wünschenswert erscheint, so sehr geht sie doch am eigentlichen
Problem vorbei. Freilich ist Dasjenige, das als weiblich konzipiert
ist, dem als männlich konzipierten oftmals als unterlegen gedacht.
Frauen werden schlechter bezahlt, werden als emotionaler gedacht,
wobei Emotionalität dem Rationalitätskonstrukt als untergeordnet
konzipiert ist und immer noch herrschen in weiten Teilen der
Bevölkerung allgemein viele Sexismen vor, die die sprachlich
manifestierte Unterordnung bestätigen.
Wenn Sprache nun Wirklichkeiten
strukturieren kann, was wird dann mit der Aufwertung durch das
Binnen-I geschaffen? Das als weiblich Konzipierte wird zwar
aufgewertet aber zu zwei Preisen, die nicht gezahlt werden sollten.
Zum Einen wird diese Aufwertung allzu oft zum Preis dieses Weiblichen
als spezifisches Weibliches erkauft. Dies bedeutet, dass hier das
Weibliche als genuin vom Männlichen verschieden und als spezifisches
Weibliches gedacht wird, das sich an biologischen Kategorien, die
selbst nichts als Konstrukte sind, orientiert und spezifische soziale
Rollen zuschreibt. Gegenüber der Aufwertung eines spezifischen
Weiblichen als Anderes, das jedoch gleichberechtigt sein soll, kann
dabei auch die Aufwertung des Weiblichen als nur durch die Biologie
vom Männlichen verschiedene soziale Rolle stehen. Beides Ansätze
gehen jedoch fehl. Der erste Ansatz konstruiert anhand des
biologischen Geschlechts als scheinbar natürliche Größe ein
Anderes, das spezifisch als Rolle festgeschrieben wird, so
weitgefasst diese auch teils sein können, während der zweite Ansatz
es vermeidet ein Anderes zu denken und so Möglichkeiten als Rollen
negiert und auf diese Weise normiert.
Zum Anderen wird mit Hilfe des Binnen-I
die Geschlechterdichotomie insgesamt festgeschrieben, denn das
Männliche und das Weibliche sind die einzig sprachlich
repräsentierten Kategorien, die ihre Dichotomie in die Wirklichkeit
tragen und diese strukturieren. In Beiden Fällen wird das Geschlecht
(gender) und die zugrunde liegende bio-kulturelle Kategorie (sex) auf
eine Bipolarität eingeschränkt und auf diese hin sprachlich
normiert. Es drängt zum Entscheiden und mehr noch, es drängt zur
Bedeutsamkeit des Geschlechts als die Wirklichkeiten strukturierende
Kategorie anhand derer sich die Akteure zu definieren haben.
Demgegenüber will ich etwas anderes setzen, das die
Geschlechtskategorie nicht auf- sondern als das willkürliche
Strukturmerkmal abwertet, das es ist. Es ist nicht mehr nötig, denn
Orientierung auf die wir angewiesen sind, kann auch anders geschaffen
werden. Nicht anhand als bedeutsam konstruierter äußerer Merkmale
oder fester Rollenzuschreibungen, sondern neuer Möglichkeiten, die
eine größere Varianz des Anderen zuzulassen vermag und im Sinne
Lytoards zu einem auch im Bereich der Geschlechtsidentität Patchwork
der Minderheiten führt, die jedoch nicht als Minderheiten beachtet
werden müssen, denen wir alle angehören, sondern als Kategorie
aufhört zumindest bedeutsam zu sein.
Aber wie dem sprachlich Rechnung
tragen? Der Vorschlag kann nicht zur sprachlichen Repräsentation
aller möglichen Formen eines Anderen führen, denn dies würde die
Begriffe ins Unendliche ausdehnen. Auch kann es nicht zu einer
vorbelasteten Subsummierung unter das Männliche kommen. Der Weg kann
somit wohl nur jener hin zur Bedeutungslosigkeit des Geschlechts,
sprachlich repräsentiert durch das Sächliche sein, das „Mensch“
an Stelle von „Mann“ und „Frau“ setzt und „das“ an die
Stelle von „der“ oder „die“.
Damit wäre zumindest ein Teilerfolg
geleistet und ein Weg in die Veränderung der Wirklichkeit durch
Sprache.
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