Wir sind alle Menschen, wir haben
alle eine unveräußerliche Würde und wir sind alle gleich wertvoll, solange wir
eben Menschen sind. Ich bin ein Mensch, zumindest erfülle ich die gängigen
Kriterien dieses Konstrukts und könnte mich daher nun bequem zurücklehnen und
mich meiner menschlichen Identität erfreuen. Stattdessen verweigere ich mich
ihr. Aber geht denn sowas? Darf denn sowas? Und welche Identität gibt es
stattdessen? Gemeinhin wird an exklusivere gedacht und der moralische Zeigefinger
in Stellung gebracht, zu Recht, denn die Idee der Menschenrechte, in der sich
die Identität alles Menschlichen offenbart, legitimiert sich nicht zuletzt
aufgrund ihres Verständnisses als moralischeres und inklusiveres Gegenmodell zu
auf rassistischen oder sexistischen Wirklichkeiten basierenden Modellen. Ein
Weg zurück in die Engstirnigkeit schließt somit aus. Eine Verweigerung dieses
Modells der menschlichen Identität bedeutet also nicht, Menschenrechte per se
abzuerkennen, es besteht nur darin, die durch Naturalisierung verschleierte Konstruktion
einer zwangsweisen Identität menschlicher Identität zu offenbaren und eine
bessere, inklusivere Alternative zu wählen. Dass solche nicht nur denkbar sind,
sondern auch tatsächlich gedacht werden, zeigt der Artikel „Why I Identify as Mammal“
von Randy Laist (http://opinionator.blogs.nytimes.com/2015/10/24/why-i-identify-as-mammal/),
in der die Identität als „Säugetier“, also basierend auf einem erweiterten
biologischen Konstrukt, gegenüber exklusiveren bevorzugt und gerechtfertigt
wird. Eine solche Rechtfertigung basiert dabei grundsätzlich auf antispeziesistischen
Argumenten gegen einen menschlichen Chauvinismus, der genauso Teil der
menschlichen Identitätskonstruktion ist, die letztlich immer auch als
speziesistischer Imperativ zu verstehen ist und damit alle ethisch-argumentativen
Fehler begeht, die sie Rassen- oder Geschlechteridentitäten zu Recht vorwirft,
angefangen bei dem Charakter der Konstruktion, dem eine Naturalisierung
verschleiernd gegenüber gestellt wird, bis hin zur Ausblendung der
Ähnlichkeiten zugunsten von als bedeutungshaft konstruierten Unterschieden,
denen kausale Zwangsläufigkeit untergeschoben werden.
In der Verweigerung der
menschlichen Identität offenbart sich also nicht der Wunsch nach Exklusivität
zum Zwecke der Selbstaufwertung, sondern ein kritischer Umgang mit „liebgewonnenen“
Konstrukten, die, u.a. aus Angst vor einem „Rückfall“ und ohne jegliches
kritisches Bewusstsein verteidigt werden, auf deren relativ „Gutes“ im
Vergleich zu „schlechten“ Alternativen fokussiert wird, um dabei ihr relativ „Schlechtes“
zu übersehen und so Alternativen als Denkbarkeiten zu verunmöglichen.
Dieser Angst sollen die
Möglichkeiten neuer, inklusiverer und damit auch gerechterer und ethischerer
Modelle von Identität entgegengesetzt werden, die die „alten“ Fehler zu
vermeiden suchen.