Dienstag, 6. Dezember 2016

Flüchtige Momentaufnahmen, Provokationen und Gedankenspiele XVIII

Wie in der alliterativen Begriffsdopplung von "Kunst und Kultur", schon angelegt, die eben wie bei "Kind und Kegel" nicht Kind und Kegel, sondern alle Kinder meint, wird Kultur leider immer noch als Verstärkung oder Synonym von Kunst, vor allem hegemonialer Kunstvorstellungen benutzt. Kunst ist wichtig, denn Kunst kann versuchen, das Unsagbare zu erzählen, das Allgemeine zu offenbaren, das Alltägliche zu dekonstruieren und das Neue denkbar zu machen. Lust am eigenen kreativen Schaffen zu wecken ist daher ebenso wichtig. Aber Voraussetzung für eine Kunst, die Gesellschaft reflektieren kann und damit auch eine wichtige politische Funktion einnimmt, wäre eine Kulturelle Bildung, die ihrem Namen auch abseits eines kunstreduktionistischen Kulturbegriffs gerecht werden kann, Was wir brauchen, ist eine Kulturelle Bildung, die sich mit Kultur im Allgemeinen auseinandersetzt, mit all ihren Spielarten. Nicht nur hegemonialer Kunst, nicht nur subkultureller Kunst, sondern mit Kultur im kulturwissenschaftlichen Sinne, also mit dem Alltag, den Bedeutungen, den Sinnstiftungen, den Weltdeutungen, Performanzen, Praktiken, dem Fühlen-Denken-Handeln und dessen Sinnstruktur, also mit dem, was aus der Welt erst Lebenswelt macht. Dann aber könnte man Kulturelle Bildung nicht mehr so wohlfeil als einfaches Aushängeschild und dessen Förderung nicht mehr als selbstgerechten steuerlichen Ablasshandel benutzen, als zahnlose, rein ästhetische Spielerei. Dann würde Kulturelle Bildung nämlich dazu beitragen, kritisches Denken und Fühlen nicht außerhalb, sondern auch entgegen Schule und Universität, entgegen Gesellschaft zu fördern. An Stelle des passiven Kunstgenusses stünde der Spiegel, statt Identität die Dekonstruktion. Das alles aber verhindert das Sprechen über Kultur als Kunst nicht zuletzt im Rahmen des Förderns, denn das kritische Denken ist zwar eine Kunst aber eben nicht Kunst.


Der Begriff des "Postfaktischen" ist letztlich ein Ausdruck reaktionären Denkens, das zurückführen soll in das Wissen der Moderne, in die Sicherheit des absoluten Wissens und der Gewissheit der "Fakten", die letztlich Politik legitimieren sollten. Statt einfach Begriffe wie "Lügner" oder "Rassist" zu gebrauchen und den Blick auf Bedingungen und Ursachen zu richten, wird mit dem Begriff des "Faktischen" als legitimierende Kraft verallgemeinert und vereinfacht. Entgegen der Programmatik des postmodernen Wissens als nötige Vielheit und Diversität von Erzählungen, führt die Moderne mit ihrer "normativen Kraft" des vermeintlich Faktischen zurück in zu entdeckende Gewissheiten, die die Welt einfach halten, in die Idee alles vermessen zu können, in den Fortschrittsglauben, in binäre Geschlechtermodelle, in Sicherheiten und nationalstaatliche Regulierungen als einzige Alternative.


So wie das Konstrukt des "biologischen Geschlechts" immer Brutstätte sozialer Rollenzuschreibungen bleiben wird und daher überwunden oder mindestens auf wenige Kontexte wie Medizin eingegrenzt werden muss, so muss auch der Humanismus überwunden werden, mit seiner Überbetonung des Menschen als Maß aller Dinge, um den Speziesismus grundlegend zu erschüttern. So wie es galt, die Erzählungen der Moderne wie "Rationalität", "Fortschrittlichkeit" und "Wahrheit" im postmodernen Denken als Selbstgerechtigkeit mit all ihren Gewaltätigkeiten der "Fakten" zu entlarven, so ist es nun als Teil dieses Prozesses Zeit, mittels posthumanistischer Philosophie den Menschen als eins und nicht als alles zu begreifen und damit aus dieser Selbstgerechtigkeit zu entheben. 

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