Montag, 30. November 2015

Das theatralische Nichthandeln als Handeln

Was ist es, das uns dazu treibt, auch im Angesicht so realer aber latent fortschreitender Katastrophen wir dem Klimawandel uns in diesem Mangel an Handeln zwar nicht zu gefallen aber doch zu verharren? Nun, es ist zum Einen unser recht neumodisches erlernte Selbstbild als "autonome, rationale, vernünftige" Wesen, das nicht viel mehr ist, als selbstgerechter Bullshit, Begründungsdiskurs unserer Superiorität über andere Tiere und Basis systemlegitimierender Argumenation seit der s.g. "Aufklärung", bzw. dessen politischer Programmatik. Das allein verstellt schon den Weg zur Lösung, weil es eben darauf hinausläuft, zu glauben, mit den Begründungsdiskursen für Handeln an sich, die es seit Jahrzehnten und teils länger gibt, irgendetwas im Handeln bewirken zu können. Dabei geht es im Kern und das ist der andere Punkt, um zwei Sachen: Macht und Gewohnheit. Erstere will sich niemand nehmen lassen und jede Zurückhaltung kann Machtverlust bedeuten, scheint vorsichtig abgewogen sein zu wollen. Das Zweite liefert eine ähnliche Illusion, die ihre Triebkraft ist. Macht ist wie Gewohnheit Teil der Konstruktion einer Sicherheitsillusion und wir sind als kulturelle Wesen sehr unsicher. Die Welt hat die Bedeutung, die wir ihr geben aber diese Bedeutung muss sozial abgesichert sein, sonst geraten wir in das Chaos von Freiheit, die wir so sehr fürchten. Wir brauchen Gewissheit, die wir bis zum Tode verteidigen können. Und solche Gewissheiten sind in unserem alltäglichen Verhalten eingelagert, umsponnen von einem Begründungsdiskurs, der die ganze Konstruiertheit unserer Welt verschleiert, um diese Sicherheitsillusion zu schaffen und Verbindlichkeit zu generieren. Unsere Gewohnheiten sind damit auch Teil unserer Identität, um die wir lieber als alles andere kämpfen und für die wir jeden Schwachsinn nutzen, der sich biete: Geschlechter, Nationen, Rassen, Spezies, Hauptsache, es kann als Distinktionsmerkmal gelten und irgendwie positiv aufgeladen werden aber dabei doch die eigentlichen Handlungsgründe, das unendliche emotional zusammengehaltene Gespinst aus kulturellen, sozialen und biographischen habituellen Mustern und Wahrnehmungen, kurz, eben jene Konstruiertheit verschleiern. Und das ist auch der Grund, warum wir unser Verhalten nicht ändern, weil wir erstens zu ungebildet sind um das zu sehen und zweitens so sehr emotional an all das gebunden, dass wir lieber den "Gutmenschen" zum Sündenbock und Ziel unserer uns als "gerecht" erscheinenen widerwärtigen Rache machen, für seine Dekonstruktion unserer Gewissheiten, der er ein Anderes entgegenstellt und uns als der Advokat des Chaos erscheint. Lieber beschimpfen wir ihn als uns selbst mit eigener Verantwortung herumzuschlagen für unser Schnitzel, unsere Kohle, unsere Bequemlichkeit. Der "Gutmensch" muss böse sein, damit wir alle schuldig sind, denn wo alle schuldig sind, ist es niemand und niemand kann etwas ändern...so flüchten wir uns selbstgerecht in den Untergang als objektivierenden Strukturfunktionalismus und in die Banalität des Bösen, in der wir alle Hannah Arendts Eichmann sein können, selbstzufrieden im verantwortungslosen Bösen, das den Schrecken verliert, denn es ist sicher und es ist allumfassend, solange wir nur "Veganer", "Ökos" oder diese ganzen Wissenschaftler, die womöglich noch Recht haben wollen, klein halten und sie soweit es geht der sozialen Unsichtbarkeit überantworten und nur alle paar Jahre in einem karnevalesken Akt gnadenvoll und lächerlich vorführen und uns dabei selbst auf die Schulter klopfen, wie viel wir doch wieder getan hätten, um die Illusion des Handelns im Nichthandeln zur Sicherung der Illusion der Sicherheit der Gewohnheit aufrecht zu erhalten. Oder anders: auch die Klimakonferenz ist nur ein Theater des Schreckens.

Samstag, 14. November 2015

Paris am 13.11. und der ganz "normale" Wahnsinn der sozialen Positionierung

Schreckliche Ereignisse in Paris. Wohl über hundert Tote. Neben den vielen Berichten um den Ablauf, die Zahl der Toten und Verletzten, beherrscht eine Frage die Nachrichten: "Kann es hier auch passieren?", also "uns" und nicht den "Anderen", den "Deutschen" und nicht den "Franzosen". Die Antwort ist, es IST bei "uns" passiert, es IST "uns" passiert und nicht in einem politisch zu instrumentalisierenden Sinn von "uns" als "Westen" oder "Europa" sondern "uns" als der Welt, auf der es letztlich beständig geschieht! Es fühlt sich surreal an...distopisch....wirr....unendlich traurig...abscheulich und es wird noch abscheulicher, wenn man an die Schändung der Toten für politische Programmatik und Identitätskonstruktionen in den kommenden Wochen denkt, die bereits jetzt einsetzen und von allerhand anderen sozialen Positionierungen begleitet ist, ganz zu schweigen von der Instrumentalisierung in der Flüchtlingsdebatte.

Daneben stört mich aber ein Punkt besonders, den ich nicht nur deswegen ansprechen will, sondern weil er eine soziale Positionierung enthält, die sich nicht als solche zu begreifen scheint, die sich selbst verschleiert und deswegen genauso gefährlich ist. Was mich stört, ist der Kampf gegen bestimmte Trauerbekundungen inkl. der Abwertung von spezifischen Bewältigungsmechanismen oder anders: Soll man nun für die Opfer beten oder nicht? Ich selbst, als einer jenen, der "Pray for Paris" ebenso sozial geteilt hat, kann mich da freilich rausreden, in einer eloquent-prätentiösen Weise, zu der ich schlicht fähig bin. Ich könnte darauf verweisen, dass ich ein umfassenderes Verständnis von "Gebet" aus dessen allgemeiner Funktion heraus habe, es also nicht als zwangsweise religiöse Handlung im herkömmlichen Sinne sehe, sondern als eine Form eines bewussten tiefen Gedenkens, in dem das eigene Empfinden darüber zum Ausdruck gebracht und akut kanalisiert wird und das diese für "religiöse" wie für "nichtreligiöse" Menschen eine der wenigen akuten Bewältigungsmechanismen ist, die spontan greifbar sind, um das "unfassbare" irgendwie psychisch anzupacken. Ich könnte ebenso erneut darauf hinweisen, dass auch atheistische Weltdeutungen im Kern analog zu Religionen funktionieren. Es sind dabei auch Religionen selbst nicht das vermeintliche Problem, sondern deren Auslegung, übrigens und das ist der Punkt, ebenso wie bei nichtreligiösen Wirklichkeiten und Weltdeutungen, wie z.B. bei auf dem Konstrukt "Biologie" basierenden Abscheulichkeiten wie Sexismus, Rassismus oder Speziesismus. Nicht die Biologie als weltdeutungsangebotsanbietende Disziplin und Referenzbereich ist dabei das Problem, sondern deren spezifische Auslegung.
Demgegenüber liefern religiöse Handlungen, wie erwähnt, psychische Bewältigungsmittel, die die Leute aktuell zur Verfügung haben. Und auch hierbei kommt es auf die Auslegung an! Denn freilich kann der Aufruf zum Gebet wieder eine Trennung konstruieren oder abbilden, mit Hilfe von Religion: "die Christen", zu denen wir in dem Moment alle konstruiert werden, gegen "die Moslems" oder "Terroristen", mit all der Scheisse, die damit zusammenhängt. Deswegen ist es natürlich mehr als wichtig auf dieses Problem hinzuweisen und ich bin froh, dass es Leute gibt, die den Mut haben dies zu tun. Aber und dies wird übersehen, diese Dichotomisierung wird durch andere Dichotomisierungen und damit soziale Positionierungen und Identitätsmuster ersetzt, die nicht weniger problematisch, homogenisierend und überheblich sind. So passiert ähnliches is dem Missbrauch der Opfer für die Systemlegitimierung in Form eines inszenierten Systemkampfes von "wir die Demokraten" vs. "die Anderen, die Fundamentalisten". Dabei wären die Anschläge auch passiert, wenn Frankreich ein Vorzeigefaschismus, eine Monarchie, eine Theokratie oder sonstein anderes Systemmodell wäre, dies ist eben nicht der Grund.
Aber was bleibt? Freilich gibt es auch andere und vielleicht inklusivere Bewältigungsmittel und freilich sind die Grundprobleme auch hier Bildung (verstanden als kritisches Denken), die Möglichkeiten von Anerkennung und Wertigkeit, sowie die Verteilung von Ressourcen, deren Ungerechtigkeit Religionen, in einer abscheulichen Deutungsweise mit solchen Handlungen bewältigen, wollen, indem sie der Ohnmacht, die die eigentliche Ursache ist, Handlungsmöglichkeiten entgegensetzt, die zugleich als emotionale Transformationsmittel des permanenten "Unangenehmen" dienen. Damit ist es aber eben nicht die Religion selbst, die "Schuld" ist, sondern sie wird zum Mittel, zum Kanalisationspunkt, weil es eben keine ausreichenden anderen Mittel gibt, die für die Individuen aktuell denkbar, erlernbar, vollziehbar wären. Und dies gilt auch für das Gebet. Auch dieses funktioniert auf diese Weise, es spendet Trost über Sinn (wenn religiös genutzt) und bietet irgendeine greifbare Handlung an, einen peformativen Akt, der die Starre der Ohnmacht wenigstens kurz bewältigt. Solange wie also die Ursache nicht effektiv bekämpfen wollen, fokussieren wir auch die Religion, nicht zuletzt um uns selbst zu feiern, in unserer überlegenen Moral, die nichts weiter ist als ein Mehr und ein Anderes als Bewältigungsmittel. Solange wir nicht fähig sind, die Ursachen zu bekämpfen, sollten wir uns hüten die Religion zu verdammen, sondern nur die Taten selbst aber immer wohlbewusst, dass die Verzweiflung Motor auf beiden Seiten ist und jede Form der Weltdeutung dazu treiben kann. legitimiert durch eine spezifische Auslegung dieser und alle zu abscheulichen Mördern zu machen, und wenn nur aus Unterlassung für alle die Flüchtlinge, die der Pöbel nun lieber ersaufen lassen würde als in die Mitte zu lassen, mit der Begründung eine Angst, die nichts anderes ist als eine perfide Deutung einer angeblichen Vernunft, die sie und ihre Handlungen legitimieren soll, denn man sieht ja was alles passieren kann.
Wir sollten also den Leuten vorerst selbst überlassen wie sie ihr Leid verarbeiten, so lange nicht neue Keile dadurch getrieben werden aber diese finden sich nahezu überall...mit anderen Worten: Wir die Demokraten, Wir die Vernünftigen oder Wir die Atheisten ist nicht besser als Wir die Christen....