Montag, 26. Oktober 2015

"Mensch" und andere Identitäten



Wir sind alle Menschen, wir haben alle eine unveräußerliche Würde und wir sind alle gleich wertvoll, solange wir eben Menschen sind. Ich bin ein Mensch, zumindest erfülle ich die gängigen Kriterien dieses Konstrukts und könnte mich daher nun bequem zurücklehnen und mich meiner menschlichen Identität erfreuen. Stattdessen verweigere ich mich ihr. Aber geht denn sowas? Darf denn sowas? Und welche Identität gibt es stattdessen? Gemeinhin wird an exklusivere gedacht und der moralische Zeigefinger in Stellung gebracht, zu Recht, denn die Idee der Menschenrechte, in der sich die Identität alles Menschlichen offenbart, legitimiert sich nicht zuletzt aufgrund ihres Verständnisses als moralischeres und inklusiveres Gegenmodell zu auf rassistischen oder sexistischen Wirklichkeiten basierenden Modellen. Ein Weg zurück in die Engstirnigkeit schließt somit aus. Eine Verweigerung dieses Modells der menschlichen Identität bedeutet also nicht, Menschenrechte per se abzuerkennen, es besteht nur darin, die durch Naturalisierung verschleierte Konstruktion einer zwangsweisen Identität menschlicher Identität zu offenbaren und eine bessere, inklusivere Alternative zu wählen. Dass solche nicht nur denkbar sind, sondern auch tatsächlich gedacht werden, zeigt der Artikel „Why I Identify as Mammal“ von Randy Laist (http://opinionator.blogs.nytimes.com/2015/10/24/why-i-identify-as-mammal/), in der die Identität als „Säugetier“, also basierend auf einem erweiterten biologischen Konstrukt, gegenüber exklusiveren bevorzugt und gerechtfertigt wird. Eine solche Rechtfertigung basiert dabei grundsätzlich auf antispeziesistischen Argumenten gegen einen menschlichen Chauvinismus, der genauso Teil der menschlichen Identitätskonstruktion ist, die letztlich immer auch als speziesistischer Imperativ zu verstehen ist und damit alle ethisch-argumentativen Fehler begeht, die sie Rassen- oder Geschlechteridentitäten zu Recht vorwirft, angefangen bei dem Charakter der Konstruktion, dem eine Naturalisierung verschleiernd gegenüber gestellt wird, bis hin zur Ausblendung der Ähnlichkeiten zugunsten von als bedeutungshaft konstruierten Unterschieden, denen kausale Zwangsläufigkeit untergeschoben werden.
In der Verweigerung der menschlichen Identität offenbart sich also nicht der Wunsch nach Exklusivität zum Zwecke der Selbstaufwertung, sondern ein kritischer Umgang mit „liebgewonnenen“ Konstrukten, die, u.a. aus Angst vor einem „Rückfall“ und ohne jegliches kritisches Bewusstsein verteidigt werden, auf deren relativ „Gutes“ im Vergleich zu „schlechten“ Alternativen fokussiert wird, um dabei ihr relativ „Schlechtes“ zu übersehen und so Alternativen als Denkbarkeiten zu verunmöglichen.
Dieser Angst sollen die Möglichkeiten neuer, inklusiverer und damit auch gerechterer und ethischerer Modelle von Identität entgegengesetzt werden, die die „alten“ Fehler zu vermeiden suchen.

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