Donnerstag, 5. Juni 2014

Krankheiten einer Arbeitswelt

Es ist erschreckend anzusehen, dass die meisten Firmen, insbesondere was die Mitarbeiterführung angeht, noch immer in Vorstellungen des 19. Jahrhunderts gefangen zu sein scheinen und sich als totalitäres System ausbilden. Die Firma wird nicht als sozialer Raum begriffen (mit allen den blinden Flecken, die sich daraus ergeben, sowie den Unfähigkeiten bestimmte Prozesse zu erkennen oder nachhaltig gegenzusteuern), sondern als Maschine, dem die Mitarbeiter als Maschinen untergeordnet sind, was zugleich zu Ausbeutungsprozessen führt, solchen des Körpers oder solchen der Seele. Anerkennung der Mitarbeiter und nachhaltige Mitarbeiterpolitik, die nicht nur eine hohle Phrase, entsprungen dem Zeitgeist firmenpolitischer Inszenierung sind, sind kaum zu finden. Statt mit den Mitarbeitern, wird gegen sie gearbeitet, sie werden zum bloßen Funktionieren getrieben, manchmal flankiert durch undurchdachtes und floskelhaftes "Teambuilding" und andere "Motivationsspäße". Statt sich eingehender damit zu befassen (und damit auch einen Mangel zuzugeben, um ihn beheben zu können, aus Angst vor Status- und damit Autoritätsverlust), werden Sanktionen angewandt, völlig ungeachtet ihrer Konsequenzen oder auch nur eines ansatzweisen Verstehens dieser. Sanktionen produzieren letztlich fortwährend deviantes Verhalten und machen so weitere Sanktionen nötig, um das System, die Struktur am Laufen zu halten. Dabei sinkt nicht nur das produktive Potential einer Firma auf ein Minimum (es gibt keinen schlechteren Arbeiter als einen gezwungenen Sklaven), sondern es degeneriert die Firma auch in sozialer und moralischer Hinsicht hin zu einem Nullpunkt, eben zum totalitären System. Dieses Spiel läuft so lange weiter, bis die Strukturen brökeln und nicht selten die ganze Firma als unflexibles bürokratisches Moster zerstören oder bis die Mitarbeiter nach und nach zerstört werden, mit all den bekannten Folgen. Demgegenüber stellen einige Firmen einen schnellen Durchlauf, einen Verbrauch der Mitarbeiter, der nicht nur jedwede Formulierung von Nachhaltigkeit schon im Munde faulen, sondern die Firma letztlich weiter degenerieren lässt. Diese Prozesse führen letztlich zu dem Ergebnis, vor dem Geschäftsführungen eigentlich Angst empfinden, dem Verlust von Status und Autorität. Sie agieren aus Machtpositionen und nicht aus Statuspositionen heraus und können so nicht anders, als letztlich Formen sklavischer Mitarbeiter mit großem devianten oder (selbst)zerstörerischem Potential, die nur mit weiteren Sanktionen und damit Statusverlusten einhergehen, zu produzieren. Der einzige Ausweg besteht in einer ernsthaften Fokussierung auf die Statusdimensionen, die nur in einem gemeinsamen Miteinander aufgewertet werden kann.

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