Sonntag, 8. Juni 2014

Krankheiten einer Arbeitswelt II

Der Ausspruch "Arbeit macht keinen Spaß, sonst hieße es ja Spaß und nicht Arbeit", sowie dessen Abwandlungen, offenbaren die Macht der Konstruktion von Wirklichkeiten, wie wir sie alle täglich vornehmen, indem dieser Ausspruch eine Wirklichkeit erst schafft im Sinne von reproduziert, die er vorgibt nur zu beschreiben.
Er ist ein gewaltsamer und totalitärer Akt, der jedwedes Andere als Möglichkeit vernichtet, zu einem Undenkbaren macht und sich selbst als einzige Alternative, als einzige "richtige" Alternative setzt.
Er ist damit zugleich ein Bewältigungsmuster einer erfahrenen Wirklichkeit am Beispiel des Arbeitnehmers, der so seine eventuelle Unzufriedenheit als persönliches und nicht strukturelles Problem fasst und es mit der implizit enthaltenden Aufforderung der Korrektur bewältigt. Damit wird einer Struktur sowohl eine "Natürlichkeit", eine "Zwangsläufigkeit" unterstellt, als auch diese von "Schuld" freigesprochen, um jene Schuld allein sich selbst aufzubürden. Damit bestätigt diese Aussage, die zugleich als Wahrnehmung im Sinne einer Interpretation des vermeintlich Vorgefundenen eine Struktur und kettet das Individuum an diese.
Diese Aussage kann aber auch bewusst strategisch eingesetzt werden, indem beispielsweise ein Arbeitgeber damit für sich eine Unmöglichkeit schafft, bestehende Strukturen zu verändern, verändern zu müssen, u.a., indem dem Fühlen des Arbeitnehmers jedewede Relevanz aufgrund einer Unabänderlichkeit abgesprochen wird. Auf diese Weise können "liebgewonnen", wunderbar "einfache" und nicht zuletzt auch ausbeuterische Strukturen Aufrecht erhalten werden.
Die Erkenntnis der Konstruktionsleistung ist der erste Schritt zum Widerstand und zur Befähigung neue, erträglichere Wirklichkeiten zu schaffen, statt sich selbst in und an bestehende zu ketten.
Gleiches gilt jedoch auch im umgekehrten Fall solch einseitger Zuschreibungen als Konstruktionen von Wirklichkeit.
Auch Aussprüche wie "Arbeit muss Spaß" machen kann ausbeuterischer und zerstörerischer Früchte tragen und zu unerträglichen Wirklichkeiten werden, indem es den Individuen abverlangt, so fühlen zu müssen. Diese zerstörerische Wirkung liegt in den Zerwürfnissen des Selbst begründet, die dadurch hervorgerufen werden. Gefühle zeigen Bewertungen an, sie sind das körperliche und kognitive Ergebnis dieser. Im Abverlangen dieses Ergebnisses, bei gleichzeitiger Nichtteilung der diesem zugrunde liegenden Wertigkeit, muss es zum Zerwürfnis des Selbst kommen, das, im schlimmsten Fall und durch kapitalistische Logiken gestützt, zu einer Selbstverurteilung führt, die sich eine eigene Schuld am Nichtfunktionieren zu eigen macht.
Um eine erträglichere Wirklichkeit zu schaffen, die weitestgehend ohne diese Totalitarismen und zerstörerischen Qualitäten auskommt, ist es nötig, dass ich alle Akteure (selbst)relfexiv bei der Schaffung des (sozialen und emotionalen) Raumes "Arbeit" einbringen und einbringen können.
Dies müssen sowohl Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer, sowie oftmals leider eher euphemistisch genannte "Unternehmensberater" endlich erkennen.
Dabei ist dies zugleich nur ein aber doch eben ein Punkt, warum Machtpositionen grundsätzlich durch epistokratische Richtlinien begründet sein müssen, denn nur epistemische Vorteile, verbunden mit
ethischen Richtlinien, vermögen es, diese zerstörerischen Kräfte zu bannen. Der erste Schritt besteht im Erkennen.

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