Montag, 2. Dezember 2013

Gibt es gestalterisches Forschen? Eine Annäherung

Diese Frage geht zurück auf eine Ringvorlesung an der BTK in Berlin, die mich zugleich inspirierte, selbst dieser Frage in einer Verdeutlichung nachzugehen. Es geht dabei nicht darum, sie zu beantworten, zumindest nicht zur Gänze, sondern sich der Antwort fragend zu nähern und einige, aus meiner Sicht zu beachtende Aspekte zu verdeutlichen.

Bei näherem Hinsehen zerfällt diese Frage in mehrere, die sich nach unterschiedlichen Begriffen ausrichten, so ist von „Kunst“, „Gestaltung“, wie auch „Design“ die Rede, die jeweils nicht bedeutungsgleich gelesen werden können, ein Problem, dass später noch zum Tragen kommen wird.
Ich will mich dieser Frage, ohne eine umfangreiche vergleichende Begriffsklärung anzustrengen, in ihrer jeweiligen durch die Begriffe bestimmten Eigenheiten nähern.

1. Gibt es gestalterisches Forschen?

Diese Frage ist von allen die am einfachsten zu beantwortende. Mit dem Begriff der Gestaltung wird ein „kreativer Schaffensprozess, bei welchem durch die Arbeit des Gestaltenden eine Sache [...] verändert wird, d. h. erstellt, modifiziert oder entwickelt wird und dadurch eine bestimmte Form oder ein bestimmtes Erscheinungsbild verliehen bekommt oder annimmt“ gemeint. Bei wikipedia wird dabei zwischen zwei Bedeutungen unterschieden. Zum Einen bezeichnet Gestaltung „einen bewussten Eingriff in die Umwelt mit dem Ziel, diese in eine bestimmte Richtung zu verändern.“ Zum Anderen ist Gestaltung die „bewusste, verändernde Einflussnahme auf die ästhetische Erscheinung von Dingen oder Zusammenhängen, also auf unmittelbar sinnlich wahrnehmbare Phänomene (wie Räumen, Objekten, Handlungen, Bewegung usw.). Beispiele sind die Bereiche der Musik, sowie die verschiedenen Designbereiche als Gestaltung von Produkten, Grafik, Mode, Architektur usw. oder die individuelle Körpergestaltung oder Umfeldgestaltung.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Gestaltung, letzter Zugriff 02.12.2013, 12:03.)

So klar diese Trennung scheint, so wenig ist sie praktisch gegeben, denn jede, nennen wir sie „ästhetische Gestaltung“, ist zugleich Gestaltung in eine bestimmte Richtung innerhalb des Rahmens aus Selbst- und Weltkonstruktion von Akteuren und Gesellschaften. Die „angemessene Formfindung“ als Inhalt des Begriffs innerhalb der zweiten Ebene, wie er scheinbar im Kontext des Designs gebraucht wird ist zwar oberflächlich betrachtet ein bewusster Prozesse aber auch er folgt Phänomenen, die man mit „Zeitgeist“, „Kultur“, „Identität“ bezeichnen könnte.

Um sich der Frage nun weiter zu nähern, ist zwischen weiteren Bedeutungen zu unterscheiden. So kann „gestalterisches Forschen“ den Begriff der Forschung fokussieren, als auch den Begriff des Gestaltens. Zu erst soll die erste Bedeutung betrachtet werden, da diese erneut einfacher zu beantworten ist. Die zweite Bedeutung soll entsprechend umformuliert werden im Sinne des „Forschens mit gestalterischen Mitteln“ oder anders „Design als Wissenschaft“.

Die erste Frage kann nun leicht beantwortet werden, denn Forschen ist immer gestalterisch. Erforschen wir Vergangenheit, gestalten wir sie zu Geschichte, die ihrerseits bestimmten Rahmenbedingungen und Deutungen unterliegt. Aus Vergangenheit wird Geschichte gemacht. Das jeweils Denk- und Interpretationspotential, dass zur Gestaltung genutzt werden kann, ist durch kulturelle, institutionelle und soziale Determinanten vorgegeben.
Was für die Geschichtswissenschaft gilt, gilt jedoch für alle Wissenschaften und ist wechselseitig zu denken. Wissenschaftlicher Erkenntnisse werden gestaltet, durch Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, durch institutionelle Besonder- und Gegebenheiten aber sie gestalten auch diese um. Bereits die Übersetzung in eine Sprache, das Denken in Sprache, ja selbst der Blick auf die Untersuchung und ihre Ergebnisse, die Themenauswahl und Methodenwahl sind Mittel der Gestaltung und daher auch in jedem wissenschaftlichen Arbeiten, neben weiteren Aspekten wie der kulturellen Rahmung, Identität und Motivation als verändernde oder in diesem Sinne gestaltende Momente zu beachten. Gibt es also in diesem Sinne „gestalterisches Forschen“? Die Antwort muss „ja“ lauten.

Im Zusammenhang mit dieser Bedeutungsebene steht ein weiterer Aspekt, der nicht zuletzt durch das Ringen um eigenständige Bedeutung in bestehenden Hierarchisierungen und Anerkennungsmechanismen steht: der Kampf des Designs um einen eigenständigen Wert, der sich in der später zu klärenden Frage nach Design als eigener Wissenschaft spiegelt, in der sich das Design von der Marginalisierung als bloße „Hilfsarbeit“ der Wissenschaften zu lösen wünscht. Das Aufwertungsbestreben bezieht sich dabei auch gleichzeitig auf diese „Hilfstätigkeit“ im Ringen um Anerkennung. Dabei birgt eine solche Verwendung (weiterer!) gestalterischer Mittel sowohl Gefahren, als auch Potential zur eigenen Neuverortung und Anerkennung.
In einer Welt der stärkeren „Demokratisierung von Wissen“ (ausdrücklich ist hier auf den Unterschied zwischen „Wissen“ und „Bildung“ zu verweisen, auf den hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann) und des Kampfes auch um monetäre Anerkennung und damit Fortbestehen ganzer Wissenschaftszweige verstärkt sich der Druck nach breitenwirksamer Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dabei ist diese Streben insofern positiv, als dass es die Instrumentalisierung des Wissens durch Interessengruppen verringern kann, da die Vermittlung zugleich durch die Forscher selbst „überwacht“ werden kann und insofern es, so das Wissen im Rahmen einer Bildung verwendet wird, einem wichtigen Ziel folgen kann.
Aufgrund dessen kann hier für das Design Anerkennung generiert werden, die jedoch mit Vorsicht und mit eigener starker Theoriearbeit und Reflektion seitens des Designs versehen sein sollte. Die in diesem Sinne „massentaugliche“ Gestaltung der Ergebnisse ist dabei als Übersetzung zu konzeptionalisieren. Viel wenig beachtet scheint mir dabei die Problematik einer Übersetzung. Bei jeder Übersetzung (selbst innerhalb der Kommunikation zwei scheinbar die gleiche Sprache Sprechender) kommt es zu Bedeutungsverschiebungen, die in diesem Falle durch eine geforderte Komplexitätsreduktion begleitet werden. Was bei einer Übersetzung geschieht ist eben nicht eine 1:1 Umwandlung, sondern eine Umwandlung, die zugleich eine Verwandlung ist, neue Bedeutungen vermittelt, manche fokussiert, manche nicht. Dies zu beachten und kritisch aufzuarbeiten könnte ein wirklich wichtiger theoretischer Beitrag des Designs für Wissenschaft und Bildung sein. Freilich kann und muss das Design dabei auf Erkenntnisse der Kulturwissenschaften, Psychologie, (Wissens)Soziologie, Philosophie und der Neurowissenschaften zurückgreifen, kann sie jedoch speziell auf ihr Aufgabengebiet hin ausrichten und erweitern.
Zum Abschluss dieses Bereichs sei noch kurz auf einen weiteren Aspekt hingewiesen. Die Übersetzbarkeit gilt nicht nur in Richtung der Massentauglichkeit, sondern auch in Richtung des Verstehens seitens der Wissenschaftler selbst. So kann die gestalterische, vor allem grafische Übersetzung neue Perspektiven eröffnen und über ihre Bedeutungsverschiebung und Fokussierung zugleich den Erkenntnisgewinn positiv beeinflussen.

Sowohl Gefahren als auch Wert liegen hier also eng beieinander und das Bedürfnis nach Anerkennung sollte vor allem ersteres nicht überblenden.

Der nächste Abschnitt wird der Frage nach künstlerischem Forschen und Design als Wissenschaft gewidmet sein.

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